Festung Europa
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den in ihrer Summe als qualitativ neues Bedrohungspotential<br />
wahrgenommen, das nicht mehr von Staaten<br />
ausgeht und auch nicht mehr militärisch definiert<br />
werden kann: Drogenhandel und organisierte Kriminalität,latenteundakuteRegionalkonflikte,eineGefährdung<br />
der Energiezufuhr, Umweltprobleme, illegale<br />
Migration, antiwestliche islamistische Bewegungen<br />
und nicht zuletzt der im politischen und religiösen<br />
Extremismus zu verortende internationale<br />
Terrorismus. Als gemeinsame Wurzel dieser verschiedenen,<br />
zum Teil aber interdependenten Phänomene<br />
wurde die Abwesenheit von Demokratie identifiziert<br />
sowie die wirtschaftliche Unterentwicklung<br />
der meisten Mittelmeer-Drittländer (MDL) bzw. das<br />
wachsende Wohlstandsgefälle zwischen südlichen<br />
und nördlichen Küstenanrainern. Um die Probleme<br />
von diesen Wurzeln her lösen zu können, waren<br />
grundlegend neue Problemlösungsstrategien notwendig<br />
geworden: Dem gleichermaßen innovativen<br />
wie umfassenden Konzept der EMP liegt ein weit gefasster<br />
Sicherheitsbegriff zugrunde, der nicht auf<br />
Konfrontation, sondern auf Kooperation setzt, um<br />
eine Region des Wohlstandes und der Stabilität diesseits<br />
und jenseits des Mittelmeeres zu schaffen. Dieser<br />
partnerschaftliche Ansatz darf allerdings nicht<br />
darüberhinwegtäuschen,dassdieEMPeineeuropäische<br />
Initiative ist, der eine Perzeption des südlichen<br />
MittelmeerraumesalsKrisenregionzugrundeliegt.<br />
Mit Gründung der EMP wurde gleichzeitig der Begriff<br />
„Mittelmeerregion“ zu einer neuen geopolitischen<br />
Kategorie, die außerhalb der EU allerdings<br />
nicht übernommen wurde. Folgende Staaten wurden<br />
zu Partnerländern der EU: Marokko, Algerien Tunesien,<br />
Ägypten, Israel, Libanon, Syrien, Jordanien,<br />
die palästinensischen Autonomiegebiete sowie die<br />
Türkei, Zypern und Malta. Libyen war anfangs nicht<br />
dabei, hat heute aber einen Beobachterstatus mit<br />
EMP-Beitrittsperspektive. Bemerkenswert ist, dass<br />
die EMP auch als anti-westlich eingestufte Länder<br />
wie Syrien und den Libanon einbezieht. Dahinter<br />
steht die Überlegung, dass politische Einbindung<br />
und wirtschaftliche Verflechtung mehr politische<br />
Einflussmöglichkeiten schaffen als Isolation oder<br />
gar Konfrontation.<br />
Gründungsdokument der EMP ist die Deklaration<br />
von Barcelona, in der sowohl die Ziele der Partnerschaft<br />
als auch die Mittel, mit denen diese Ziele erreicht<br />
werden sollen, explizit festgeschrieben wurden.<br />
In Analogie zur Deklaration von Helsinki, dem<br />
Mittelmeerpolitik<br />
Gründungsdokument der Konferenz für Sicherheit<br />
und Zusammenarbeit in <strong>Europa</strong>, besteht auch die Deklaration<br />
von Barcelona aus einer Präambel und drei<br />
Körben, die durch eine linkage-Politik miteinander<br />
verbunden sind: Korb (1) Politische- und Sicherheitspartnerschaft,<br />
Korb (2) Wirtschafts- und FinanzpartnerschaftundKorb(3)Partnerschaftimkulturellen,<br />
sozialen und menschlichen Bereich. Während<br />
Korb (2) als Reform der traditionellen Wirtschafts-<br />
und Handelsbeziehungen zwischen der EU<br />
und ihren südlichen Nachbarn bezeichnet werden<br />
kann, sind Korb (1) und Korb (3) Innovationen, mit<br />
denen die euro-mediterranen Beziehungen eine politische<br />
Dimension erhalten haben. Manifest wird diese<br />
Politisierung insbes. in der Selbstverpflichtung<br />
zur Demokratisierung und zur Achtung der Menschenrechte,<br />
die alle Partnerländer der EMP in der<br />
Deklaration von Barcelona explizit eingegangen<br />
sind und für deren Umsetzung in allen drei Körben –<br />
mehr oder minder effiziente – Instrumente geschaffen<br />
wurden. So baut die für das Jahr 2010 anvisierte<br />
Freihandelszone auf politisch konditionalisierten<br />
pluri-bilateralen Assoziierungsabkommen auf, die<br />
die EU und ihre Mitgliedstaaten mit jedem einzelnen<br />
Partnerland abschließen.<br />
FinanziertwirddieEMPüberdasMEDA-Programm<br />
das, PHARE und TACIS vergleichbar, über Programme<br />
traditioneller Entwicklungshilfe hinausgeht.<br />
Ca. 86 % des MEDA-Budgets werden dazu verwendet,diePartnerländerimwirtschaftlichenTransformationsprozess<br />
und bei der Vorbereitung der anvisierten<br />
euro-mediterrane Freihandelszone zu unterstützen.<br />
Nur 14 % kommen der regionalen Kooperation<br />
zugute, die vorwiegend dem dritten Korb zugerechnet<br />
werden kann. Alle im Rahmen von Korb<br />
(1) anfallenden Kosten werden außerhalb des<br />
MEDA-Budgets über die GASP finanziert. Aus diesem<br />
Zahlenverhältnis wird ersichtlich, dass die Wirtschafts-<br />
und Finanzpartnerschaft eine hervorgehobene<br />
Stellung innerhalb der EMP einnimmt. Ihr gilt<br />
das primäre Interesse der Partnerländer. Für die EU<br />
ist die EMP jedoch ein primär politisches Projekt zur<br />
nachhaltigen Stabilisierung ihrer südlichen Peripherie.<br />
Die Wirtschafts- und Finanzkooperation ist aus<br />
dieser Perspektive vor allem ein Mittel zum – vornehmlich<br />
politischen – Zweck. Die EMP ist somit<br />
auch ein Beispiel für die außen- und sicherheitspolitischen<br />
Gestaltungsmöglichkeiten der EU als Handels-<br />
oder Zivilmacht.<br />
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