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Festung Europa

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Interkulturelles Lernen<br />

„Die Bildungspolitik ist wahrscheinlich das wichtigste<br />

Feld, auf dem ein gewisser Integrationszwang<br />

ausgeübt werden muss“ (Paul Nolte; in: DIE ZEIT<br />

vom 17. 12. 2004, S. 9). Schule und Unterricht haben<br />

die schwierige Aufgabe der drohenden Verweigerung<br />

und Abschottung ausländischer Schülerinnen<br />

und Schüler gegenüber der deutschen Gesellschaft<br />

entgegenzuwirken; sie müssen deshalb sowohl einem<br />

Kulturimperialismus, der nur die eigenen –<br />

deutschen–Wertegeltenlässt,alsaucheinerüberzogenenToleranz,dieeinZusammenlebennurdannfür<br />

möglich hält, wenn kulturelle Wertvorstellungen der<br />

Immigranten vorbehaltlos Gültigkeit behalten, eine<br />

Absage erteilen.<br />

5. Inhalte und Ziele: Die wichtigsten Intentionen in<br />

dem breit gefächerten Lernzielkatalog für interkulturelles<br />

Lernen sind:<br />

– Entwicklung von sprachlicher, emotionaler und<br />

problembewusster Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit<br />

(kommunikative Kompetenz),<br />

– Ausbildung der Fähigkeit, Angehörigen anderer<br />

Kultur- und Lebenswelten mit Toleranz, Achtung<br />

und Verständigungsbereitschaft zu begegnen und<br />

andere Kulturen als gleichberechtigt wahrzunehmen,<br />

– Ausprägung der Bereitschaft gesellschaftliche<br />

Pluralität als Wesenszug und Bereicherung menschlichen<br />

Zusammenlebens anzuerkennen,<br />

– Förderung der Einsicht in die Tatsache, dass unterschiedliche<br />

Lebensformen und Verhaltensweisen in<br />

einer hochkomplexen und multikulturellen Gesellschaft<br />

jeweils auf spezifische historische und soziale<br />

Voraussetzungen und Bedingungen zurückzuführen<br />

sind,<br />

– Erwerb der Fähigkeit zur kritischen Selbstwahrnehmung<br />

und realistischen Selbsteinschätzung,<br />

– Vergewisserung der eigenen Identität in der Auseinandersetzung<br />

mit Fremden und Bereitschaft, die<br />

eigenen Einstellungen und Verhaltensweisen rationalzuüberprüfenundgegebenenfallszukorrigieren,<br />

– Überwindung von Vorurteilen, Stereotypen, selektiver<br />

Wahrnehmung und der Angst vor Neuem<br />

und Fremdem.<br />

6. Wege, Chancen und Grenzen: Eine unabdingbare<br />

Voraussetzung produktiver interkultureller Begegnungen<br />

ist die Mehrsprachigkeit; interkulturelles<br />

Lernen beinhaltet deshalb vorrangig das Erlernen<br />

von Fremdsprachen (Fremdsprachenunterricht bereits<br />

in der Grundschule, bilingualer Unterricht,<br />

452<br />

Sprachreisen). Freilich ist längst deutlich geworden,<br />

dass sprachbezogene Ansätze durch andere unterrichtliche<br />

Maßnahmen ergänzt werden müssen; hier<br />

sind vor allem zu nennen: Rollenspiele, Perspektivenwechsel,<br />

biografisches Erzählen und Fall- bzw.<br />

Konfliktanalysen. Positive Erfahrungen ergaben<br />

sich auch bei Kulturvergleichen (interkultureller<br />

Vergleich), wobei sowohl Gemeinsamkeiten als<br />

auch Unterschiede der jeweiligen Kulturen zu erarbeiten<br />

und zu begründen sind; zu denken ist zunächst<br />

an Lebensgewohnheiten (Kleidung, Tagesablauf,<br />

Ess-Sitten), an die Gestaltung von Feiertagen und<br />

Festen in verschiedenen Kulturkreisen, aber auch an<br />

unterschiedliches Reagieren auf bestimmte Situationen<br />

und Herausforderungen sowie an Einstellungen<br />

und Wertesysteme. Eine besondere Bedeutung<br />

kommt der schwerpunktmäßigen Behandlung eines<br />

bestimmten Landes oder Kulturkreises in fächerverbindenden<br />

Projekten mit produktions- und produktorientierter<br />

Zielsetzung zu (vgl. Bundeszentrale<br />

1998 und Mickel 1993, S. 170).<br />

Schließlich ist auch auf das umfangreiche Bildungsprogramm<br />

der Europäischen Union (�Comenius,<br />

�Erasmus usw.), auf die Möglichkeit des Schülerund<br />

Jugendaustausches, auf grenzüberschreitende<br />

Schulpartnerschaften, den �„<strong>Europa</strong>tag“ und den<br />

alljährlich durchgeführten �Europäischen Wettbewerb<br />

hinzuweisen.<br />

Interkulturelles Lernen darf die Schülerinnen und<br />

Schüler nicht überfordern. Alle Lernprozesse sind<br />

auf ihre Zumutbarkeit für die Jugendlichen und ihre<br />

Altersgemäßheit hin zu überprüfen; andererseits hat<br />

interkulturelles Lernen in allen Schularten, in allen<br />

Bildungseinrichtungen und auf allen Schulstufen<br />

seinen Platz. Die Bereitschaft zu Toleranz, Offenheit<br />

gegenüber Fremdem und die uneingeschränkte<br />

Akzeptanz multikulturellen Zusammenlebens kann<br />

nicht verordnet, wohl aber in überlegt konzipierten<br />

Unterrichtsarrangements erworben werden. Da häufigEinstellungs-undVerhaltensänderungendasZiel<br />

sind, dürfen die Erwartungen nicht zu hoch angesetzt<br />

werden; interkulturelles Lernen erfolgt in der Regel<br />

stufen- und schrittweise (Spiralcurriculum) und solltemöglichstfreiwilligvonstattengehen.„Vominterkulturellen<br />

Unterricht kann man nicht erwarten, dass<br />

mit ihm die großen Ziele wie Duldsamkeit und interkulturelles<br />

Einvernehmen von heute auf morgen realisiert<br />

werden. Mit anderen Kulturen zusammenleben<br />

kann man nur in einem langwierigen Prozess ler-

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