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Festung Europa

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Maastrichter Vertrag<br />

Bevor der Maastrichter Vertrag am 1. 11. 1993 in<br />

Kraft treten konnte, war über eine deutsche Verfassungsklage<br />

zu entscheiden. Unter anderem hatte ein<br />

ehemaliger EG-Beamter wegen der vermeintlichen<br />

Entmachtung der nationalen Volksvertretung und<br />

damitdesAnfangsvomEndedesselbständigenStaates<br />

Bundesrepublik Deutschland Verfassungsbeschwerde<br />

erhoben: Das Wahlrecht zum Deutschen<br />

Bundestag nach Art. 38 GG werde ausgehöhlt.<br />

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil<br />

vom 12. Oktober 1993 die Beschwerden abgewiesen<br />

und u. a. erklärt: Die Mitgliedstaaten bleiben Herren<br />

der Verträge (sie können diese ggf. sogar kündigen),<br />

derUnionsvertragbelässtdemDeutschenBundestag<br />

nochhinreichendesubstantielleBefugnisseundlässt<br />

bisher nur einen „Staatenverbund“ (keinen Bundesstaat)<br />

zu. Nach dem Urteil des BVerfG (�Maastricht-Urteil)<br />

ist darauf zu achten, dass die durch<br />

Wahl(Art.38GG)zustandegekommeneLegitimation<br />

von Staatsgewalt und deren Ausübung nicht so<br />

entleert wird, „dass das demokratische Prinzip, soweit<br />

es Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 20 Abs.<br />

1 und 2 GG für unantastbar erklärt, verletzt wird“.<br />

Das Urteil des BVerfG beschreibt also den aktuellen<br />

Stand der Integration, befindet diesen als mit dem<br />

Grundgesetz vereinbar, enthält aber keine Aussagen<br />

über mögliche weitere Integrationsschritte. (Vgl.<br />

auch „Zur Geschichte der Europäischen Einigung“,<br />

Abschn. 7, S. 865 ff.).<br />

Mit dem Vertrag von Amsterdam (1997) und dem<br />

Vertrag von Nizza (2000) wurde der Maastrichter<br />

Vertrag weiterentwickelt und ausgebaut.<br />

3. Inhalt des Maastrichter Vertrages: Der Maastrichter<br />

Vertrag bedeutete einen „qualitativen<br />

Sprung“ hin zur Europäischen Union. Der Vertrag<br />

soll – so formulieren es die einleitenden Gemeinsamen<br />

Bestimmungen – eine „neue Stufe“ bei der Verwirklichung<br />

der Europäischen Union darstellen: Zu<br />

den bisher vorrangig wirtschaftlichen Motiven und<br />

Begründungen für die europäische Einigung, wie sie<br />

vor allem im EWG-Vertrag von 1957 zu finden sind,<br />

kommenverstärktpolitischeZielbestimmungenhinzu.<br />

Der Vertrag revidiert und aktualisiert in einer<br />

Vielzahl von Punkten den ursprünglichen EWG-<br />

Vertrag und versucht, das in 40 Jahren angewachsene<br />

Gemeinschaftsrecht zu systematisieren.<br />

Die Beschlüsse von Maastricht sichern den Bestand<br />

der bisherigen Integration, binden weitere Politikbereiche<br />

in den europäischen Integrationsprozess ein<br />

522<br />

und führen bestimmte Bereiche stufenweise an die<br />

europäische Einigung heran. Das Maastrichter Vertragswerk<br />

besteht aus dem „Vertrag über die Europäische<br />

Union“, mit dem die EU gegründet wurde; er<br />

enthält Fortschreibungen des EWG-Vertrags und<br />

entsprechende Anpassungen des EGKS- und des Euratom-Vertrags.<br />

Diese drei Gemeinschaften werden<br />

als Grundlage der Union bezeichnet (Art. A EUV,<br />

jetzt Art. 1); sie werden ergänzt durch die mit dem<br />

EU-Vertrag eingeführte Zusammenarbeit in der Außen-<br />

und Sicherheitspolitik und in Bereichen der<br />

Justiz- und Innenpolitik.<br />

Die Europäische Union verbindet als Dach diese<br />

„drei Säulen“ (�Tempelstruktur) miteinander: Im<br />

Rahmen der drei Gründungsverträge (EGKS, EWG,<br />

EAG) wurde bzw. wird weiterhin gemeinschaftliche<br />

Politik betrieben, hier agieren supranationale Organe<br />

und Institutionen (wie z. B. die Europäische Kommission,<br />

das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen<br />

Union, der Ausschuss der Regionen). Sie<br />

bilden die erste Säule der „Europäischen Union“.<br />

Zweite Säule ist die �Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />

(GASP), in der die Mitgliedstaaten<br />

der Europäischen Union als Akteure gemeinsame<br />

Politik betreiben, eine Mischform aus zwischenstaatlichen<br />

und supranationalen Entscheidungsregeln.<br />

Die dritte Säule der Europäischen Union bilden<br />

die Bestimmungen über die Zusammenarbeit in den<br />

Bereichen �Justiz und Inneres (ZBJI). Diese bisher<br />

klassisch nationalstaatlichen Regelungsbereiche<br />

wurden neu in das Vertragswerk eingefügt, wobei<br />

das Verfahren durch intergouvernementale Abläufe<br />

gekennzeichnet ist. Teile der ZBJI wurden durch den<br />

Vertrag von Amsterdam in die erste Säule überführt,<br />

sodass heute nur noch die Zusammenarbeit von Polizei<br />

und Justiz in Strafsachen (�PJZS) die dritte Säule<br />

bildet. Am detailliertesten im Maastrichter Vertrag<br />

sind die Regelungen zur Wirtschafts- und Währungsunion<br />

(WWU), die in der ersten Säule (EGV)<br />

verankert sind und den Stufenplan zur Einführung<br />

des Euro enthalten.<br />

Der Maastrichter Vertrag legt weitreichende StrukturprinzipienfürdieEuropäischeUnionfest.Sowurde<br />

eine Formulierung zur �Subsidiarität und eine<br />

Umschreibung des Föderalismus in den Vertrag aufgenommen,<br />

in dem die Gemeinschaft als „immer engere<br />

Union der Völker <strong>Europa</strong>s“ beschrieben wird,<br />

„in der die Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen<br />

werden“ (Art. 1 EUV). Darüber hinaus wird

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