Festung Europa
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1.FestlegungderMethode.DerEuropäischeRatlegte<br />
bei seiner Sondersitzung in Lissabon am 23./24. 3.<br />
2000 das Ziel fest, „die Europäische Union bis zum<br />
Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten<br />
wissensbasierten Wirtschaftsraum der<br />
Welt zu machen“ (�Lissabonstrategie). Um dieses<br />
Ziel zu erreichen, wurde eine besondere Methode der<br />
Koordinierung eingeführt. Diese Methode war bereits<br />
seit dem Vertrag von Amsterdam in der europäischen<br />
Beschäftigungspolitik festgelegt (Art. 128<br />
EGV) und ist Teil der europäischen Beschäftigungsstrategie<br />
im sog. �„Luxemburg-Prozess“. Der Europäische<br />
Rat legte in Lissabon fest, dass diese Methode<br />
nunmehr für alle Ebenen offen sein sollte – gekoppelt<br />
an eine stärkere Leitungs- und Koordinierungsfunktion<br />
des Europäischen Rates. Damit soll eine kohärentere<br />
strategische Leitung und eine effektive<br />
Überwachung der Fortschritte in den einzelnen Mitgliedstaaten<br />
gewährleistet sein.<br />
2. Inhalt der Methode. Bei der „offenen Koordinierungsmethode“<br />
werden in Leitlinien die kurz-, mittel-<br />
und langfristigen Ziele festgesetzt, die es unionsweit<br />
– unter Berücksichtigung der nationalen Vielfalt<br />
– zu erreichen gilt. Dann wird ein genauer ZeitplanzuderenUmsetzungerstellt.FürdieUmsetzung<br />
werden ggf. quantitative und qualitative Indikatoren<br />
und �Benchmarks festgelegt. Hier soll im Vergleich<br />
mit den Besten in der Union und in Kenntnis bewährterPraktikeninanderenMitgliedstaateneinAnsporn<br />
für die Umsetzung der Leitlinien durch die Mitgliedstaaten<br />
geschaffen werden. Denn die festgelegten<br />
europäischen Leitlinien müssen in die nationale und<br />
regionale Politik umgesetzt werden. Hierzu müssen<br />
unter Berücksichtigung der nationalen und regionalen<br />
Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten<br />
jeweils konkrete Ziele entwickelt und entsprechende<br />
Maßnahmen durchgeführt werden. Dieser Prozess<br />
der nationalen Umsetzung wird dann von der Europäischen<br />
Union überwacht und bewertet, wobei alle<br />
Seiten voneinander lernen sollen. Zur Überwachung<br />
wird häufig auf das sog. „peer review“ Verfahren,<br />
d. h. auf externe Expertenberichte gesetzt.<br />
3. Anwendungsbereiche der Methode. Die „offene<br />
Koordinierungsmethode“ anhand von verbindlichen<br />
Leitlinien kann in Bereichen angewandt werden, in<br />
denen die Union auch eine entsprechende Gestaltungskompetenz<br />
nach dem Vertrag hat – sei es, dass<br />
sie die Zuständigkeit hat, Recht zu setzen oder dass<br />
ihr im Vertrag eine Koordinierungskompetenz ein-<br />
Offene Koordinierungsmethode<br />
geräumt ist. Hierzu zählt z. B. die Wirtschaftspolitik<br />
(Art. 99 EGV). Die Aufstellung der Konvergenzkriterien<br />
bei der Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion<br />
war geradezu Vorbild für die Einführung<br />
des „offenen Koordinierungsverfahrens“. Außerdem<br />
kennt der EG- Vertrag die Selbstkoordinierung<br />
der Politiken der einzelnen Mitgliedstaaten, wobei<br />
die Europäische Kommission alle Initiativen ergreifen<br />
kann, die dieser Politik förderlich sind wie z. B.<br />
bei der Gesundheitspolitik (Art. 152 EGV) und der<br />
Industriepolitik (Art. 157 EGV).<br />
In einer Reihe von Bereichen wird die „offene Methode<br />
der Koordinierung“ allerdings angewandt,<br />
ohne dass die entsprechenden Handlungsbefugnisse<br />
der Union im Vertrag gegeben sind. Leitlinien und<br />
Zielvorgaben sowie die regelmäßige Überwachung,<br />
Bewertung und Prüfung des Erreichten und unter<br />
Umständen sogar Sanktionen würden jedoch den<br />
Kompetenzrahmen der Europäischen Union überschreiten.<br />
Aber gleichwohl werden Ziele gesetzt,<br />
Vergleichsindikatoren aufgestellt und Berichte eingefordert.<br />
Angesichts des Drucks der Überwachung<br />
und der Evaluierung entwickelt sich hier eine starke<br />
politische Bindung der Mitgliedstaaten und eine indirekte<br />
„gegenseitige Verantwortlichkeit“ für das<br />
Erreichen der Ziele. Ein großer Anwendungsbereich<br />
ist für die Kommission die digitale Entwicklung der<br />
Europäischen Union in der Initiative �„eEurope“.<br />
Entsprechend wurde diese offene KoordinierungsmethodevonderEuropäischenKommissionauchals<br />
ein Quantensprung in der Zusammenarbeit in den<br />
Politikbereichen, in denen keine Gemeinschaftsvorgaben<br />
möglich sind, wie vor allem der Bildungspolitik,<br />
gewertet.<br />
4. Zur Problematik der „offenen Koordinierung“ im<br />
Bildungsbereich.BeispielhaftfürdieseEntwicklung<br />
der „offenen Koordinierungsmethode“ in einem Bereich<br />
nur gering ausgeprägter Unions- bzw. Gemeinschaftszuständigkeiten<br />
ist der Bereich von Bildung<br />
und Kultur, wo jegliche Harmonisierung der Rechtsund<br />
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten<br />
durch europäische Vorgaben ausdrücklich untersagt<br />
sind (Artikel 149, 150, 151 EGV). Gerade hier aber<br />
hat der Europäische Rat in Lissabon konkrete und ins<br />
Einzelne gehende Ziele gesetzt (�Lissabon-Strategie<br />
im Bildungsbereich).<br />
Dabei wurde der Bildungsministerrat aufgefordert,<br />
allgemeine Überlegungen über die konkreten künftigen<br />
Ziele der Bildungssysteme anzustellen und sich<br />
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