Festung Europa
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Gesetzgebungsverfahren<br />
den erst sechs Wochen nach Unterbreitung auf die<br />
Tagesordnung des Rates gesetzt. Die nationalen Parlamente<br />
haben Gelegenheit, von Anfang an mit ihren<br />
Regierungen über die Vorlagen zu beraten. Der Parlamentsausschuss<br />
für <strong>Europa</strong>fragen kann Empfehlungen<br />
an die EU-Institutionen richten. Dennoch<br />
blieb es bei �Demokratiedefiziten, weil die Übertragung<br />
der nationalen Zuständigkeiten auf die Union<br />
nichtimmermitderÜbertragungderentsprechenden<br />
Befugnisse auf das EP einherging. Eine Kernforderung<br />
des EP bleibt daher, in allen der EU übertragenen<br />
und der nationalen >Souveränität entzogenen<br />
Zuständigkeiten dem EP gemeinsam mit dem Rat<br />
gleichberechtigt das Recht auf Mitentscheidung zu<br />
übertragen.<br />
6. Verfassungsvertrag 2004: Mit dem �Vertrag von<br />
Nizza sind die Beteiligungsmöglichkeiten und Abstimmungsmodalitäten<br />
des Rates in allen drei Säulen<br />
der Union sowie die Beteiligungsmöglichkeiten und<br />
die Abstimmungsmodalitäten des EP so komplex geworden,<br />
dass es mindestens 38 verschiedene Verfahrensvarianten<br />
gibt. Aufgabenstellung des Verfassungskonvents<br />
war es, die Verfahrenskomplexität<br />
auf wenige Schlüsselverfahren zu reduzieren. Der<br />
�Verfassungsvertrag 2004 (dessen Inkrafttreten<br />
noch offen ist) enthält zwei zentrale Regelungen:<br />
a) Die Zahl der Abstimmungsmöglichkeiten im Rat<br />
mitqualifizierterMehrheitwirdauf156Fälleerhöht.<br />
b) Das Mitentscheidungsrecht des EP wird um 30<br />
Fälle auf 85 Bereiche im „ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“<br />
(OGV – vormals Mitentscheidungsverfahren)<br />
erweitert.<br />
Europäische Gesetze und Rahmengesetze werden<br />
grundsätzlich im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren<br />
(Art. III-396 VVE) erlassen. Nur in bestimmten,<br />
in Teil III des Verfassungsvertrages benannten<br />
Fällen werden die Gesetze ausschließlich vom Rat<br />
oder ausschließlich vom EP, unter Beteiligung des<br />
jeweils anderen Organs, erlassen (Verfahren der Zustimmung<br />
und Konsultation).<br />
Art. I-33 VVE definiert eine �Normenhierarchie,<br />
nach der die Handlungsformen der Union als Europäische<br />
Gesetze, Europäische Rahmengesetze, Europäische<br />
Verordnungen, Europäische Beschlüsse,<br />
Empfehlungen und Stellungnahmen bestimmt werden.<br />
Kombiniert man diese Handlungsformen mit<br />
den Verfahren zwischen EP und Rat und ihren Entscheidungsvariationen,<br />
so ergibt sich mit dem Verfassungsvertrag<br />
ein klareres Bild.<br />
404<br />
– 78 Gesetzesermächtigungen unterliegen dem<br />
OGV mit qualifizierter Mehrheit (qM).<br />
– 10 Gesetzesermächtigungen unterliegen dem Zustimmungsverfahren<br />
(5 mit Einstimmigkeit [E],<br />
5 mit qM).<br />
– 17 Gesetzesermächtigungen unterliegen dem<br />
Konsultationsverfahren (12 mit E, 5 mit qM).<br />
– 48 Rahmengesetzesermächtigungen unterliegen<br />
dem OGV mit qM.<br />
– 4 Rahmengesetzesermächtigungen unterliegen<br />
dem Zustimmungsverfahren (3 mit E, 1 mit qM).<br />
– 14 Rahmengesetzesermächtigungen unterliegen<br />
dem Konsultationsverfahren (12 mit E, 2 mit qM).<br />
– 13 Verordnungen unterliegen dem Konsultationsverfahren<br />
(2 mit E, 11 mit qM).<br />
– 5 Verordnungen unterliegen dem Unterrichtungsverfahren<br />
(1 mit E, 4 mit qM).<br />
– 10 Verordnungen sehen keine EP-Beteiligung<br />
vor (2 mit E, 8 mit qM).<br />
– 10 Beschlüsse unterliegen dem Zustimmungsverfahren<br />
(6 mit E, 4 mit qM).<br />
– 19 Beschlüsse unterliegen dem Konsultationsverfahren<br />
(6 mit E, 13 mit qM).<br />
– 10 Beschlüsse unterliegen dem Unterrichtungsverfahren<br />
(1 mit E, 9 mit qM).<br />
– 36 Beschlüsse sehen keine EP-Beteiligung vor<br />
(4 mit E, 32 mit qM).<br />
– 1 Empfehlung unterliegt dem Zustimmungsverfahren<br />
(qM).<br />
– 27 Empfehlungen sehen keine EP-Beteiligung<br />
vor (20 mit E, 7 mit qM)<br />
– 1 Stellungnahme unterliegt dem Konsultationsverfahren<br />
(qM).<br />
MitdemVerfassungsvertrag2004würdesichdieZahl<br />
qualifizierter Mehrheitsentscheidungen erhöhen. Die<br />
Qualifizierte Mehrheit ist in Art. I-25 VVE geregelt<br />
(plus Protokoll über die Stimmengewichtung im Europäischen<br />
Rat und im Ministerrat auf Basis des Ergebnisses<br />
von Nizza). Weiterhin der Einstimmigkeit<br />
bedürfen folgende Politikfelder: Außen-, Sicherheitsund<br />
Verteidigungspolitik; Finanzielle Vorausschau;<br />
Steuerharmonisierung; Diskriminierungsbekämpfung;<br />
Struktur- und Kohäsionsfonds; Einzelbereiche<br />
der Umweltpolitik; Aspekte der Handelspolitik; strafund<br />
familienrechtliche Zusammenarbeit; Einsetzung<br />
einereuropäischenStaatsanwaltschaft. L. U.<br />
Literatur:<br />
Boest, R.: Ein langer Weg zur Demokratie in <strong>Europa</strong>.<br />
Die Beteiligungsrechte des EP bei der Rechtsetzung nach dem<br />
Vertrag über die EU. Baden-Baden 1992