Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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3 Staatliche Migrationsdiskurse<br />
Export von Arbeitskräften als Entwicklungsstrategie?<br />
Als in den Jahren nach 1986 deutlich wurde, dass die staatliche Förderung<br />
von Arbeitsmigration keine temporäre Strategie zur Lösung einer kurzfristigen<br />
Krise darstellte, sondern sich stattdessen beides – Migration und ökonomische<br />
Krise – verstetigten, verschob sich auch der staatliche Diskurs. Bis<br />
dahin hatte dieser die Arbeitsmigration stets etwas misstrauisch nicht nur als<br />
brain drain, sondern auch als eine Form ›nationaler Schande‹, als Symbol für<br />
›Unterentwicklung‹ und ›Dritte Welt‹ begriffen. Stattdessen wurde Migration<br />
nun zunehmend auch mittelfristig als ein Schlüssel zur Entwicklung und zur<br />
Armutsbekämpfung artikuliert, auch weil damit Arbeitsplatzmangel und<br />
politische Instabilität im Land kompensierbar schienen. Statt als Problem galt<br />
Arbeitsmigration nun zunehmend als etwas Wünschenswertes, als Weg zur<br />
ökonomischen Entwicklung und gesellschaftlichen Modernisierung. Damit<br />
wurde der Export von Arbeitskraft zu einer zentralen Entwicklungsstrategie,<br />
jedoch ohne dass strukturelle Probleme der philippinischen Ökonomie und<br />
Gesellschaft damit eine Lösung fanden. 15<br />
3.1 Von ›neuen HeldInnen‹ und deren Leiden<br />
Der Wandel der diskursiven Anrufung philippinischer Arbeitsmigration<br />
drückt sich nicht zuletzt und vergleichsweise plastisch in einer Veränderung<br />
der verwendeten Begrifflichkeiten aus, mit denen staatliche Akteure die Migration<br />
und die MigrantInnen adressieren. In der Frühphase staatlich geförderter<br />
Arbeitsmigration zu Zeiten des Marcos-Regimes wurde von staatlicher<br />
15 Hier ist nicht der Raum, um auf die insbesondere politikwissenschaftlich geführte<br />
Diskussion um das Verhältnis von Migration und Entwicklung einzugehen. Neben<br />
Geldüberweisungen werden dort insbesondere soziale Remittances und politische<br />
Remittances in den Blick genommen, also Rücküberweisung von Erfahrungen mit<br />
westlichen Demokratien. Zugute gehalten wird Rücküberweisungen zudem, dass sie<br />
als eine direkte Form des Transfers staatliche Stellen, die als verantwortlich für Korruption<br />
und Missmanagement beschrieben werden, umgehen; siehe Kapur, Remittances;<br />
Stefan Rother, Changed in Migration? Philippine Return Migrants and<br />
(Un)Democratic Remittances, in: Citizenship Studies, 6. 2009, H. 3, S. 341–356; Jürgen<br />
Rüland/Christl Kessler/Stefan Rother, Democratisation through International<br />
Migration? Explorative Thoughts on a Novel Research Agenda, in: European Journal<br />
of East Asian Studies, 8. 2009, H. 2, S. 161–179; Asis, How International Migration<br />
can Support Development. Solche Einschätzungen lassen sich jedoch sowohl als<br />
modernisierungstheoretisch kritisieren wie auch dahingehend, dass die individuellen<br />
sozialen Kosten von Migration – Desintegration sozialer Beziehungen, Erfahrung<br />
rassistischer Ausgrenzung und Gewalt – kaum Berücksichtigung finden. Zu einer<br />
kritischen Bestandsaufnahme philippinischer Arbeitsmigration siehe Rochelle Ball, A<br />
Nation Building or Dissolution: The Globalization of Nursing – The Case of the<br />
Philippines, in: Philipinas, 27. 1996, S. 67–91; San Juan, Contemporary Global Capitalism;<br />
Hau, The Subject of the Nation; Yue-man Yeung, Globalization and Networked<br />
Societies. Urban-Regional Change in Pacific Asia, Honolulu 2000.<br />
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