Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Malte Steinbrink<br />
senschaftliche Fragestellungen innerhalb der Entwicklungsforschung aus dem<br />
Blickwinkel der Livelihood- und Verwundbarkeitsforschung anzugehen.<br />
Die Verknüpfung von Migrations- und Livelihood-Forschung ergibt<br />
sich aus der Frage nach der Bedeutung der Migration für die Existenzsicherung.<br />
Das wiederum führt direkt zu der Beschäftigung mit denjenigen sozialen<br />
Netzwerken, die sich raum- bzw. grenzüberspannend ausbreiten, und damit<br />
zu der Untersuchung der Bedeutung dieser translokalen Netzwerke für die<br />
Existenzsicherung. So rückt ein Aspekt ins Zentrum, dem lange Zeit in der<br />
(geographischen) Entwicklungsforschung zu wenig Rechnung getragen<br />
wurde, nämlich der Aspekt der Translokalität der Existenzsicherung. Entwicklungsorientierte<br />
Forschung muss sich stärker als bislang der Realität stellen,<br />
dass sich große Teile der Bevölkerung in vielen Ländern des globalen Südens<br />
in sozialen Zusammenhängen organisieren, die nicht lokal gebunden, sondern<br />
in ihrer Ausprägung translokal sind. 9<br />
Die Anerkennung dieser empirischen Tatsache fordert indes jenes tradierte<br />
(entwicklungsgeographische) Denken heraus, das stark auf flächenräumliche<br />
Konzepte und territoriale Kategorien gründet. Translokalität als<br />
bedeutsame Tatsache zu akzeptieren bedeutet, dieses spezifische Denken an<br />
seine Grenzen (und darüber hinaus) zu führen – an eben jene Grenzen, die es<br />
selbst zieht und auf denen es basiert. Weil die Netzwerkperspektive das Verbindende<br />
(die Beziehungen, die Interaktionen) und nicht das Trennende (die<br />
Grenze) in den Fokus stellt, bietet sie sich als eine Möglichkeit zur Befreiung<br />
aus der »territorialen Denkfalle« 10 an. Sowohl konzeptionelle als auch territoriale<br />
Grenzen lassen sich mit ihrer Hilfe gedanklich überschreiten.<br />
9 Zu dem Begriff der Translokalität und dem Konzept translokaler bzw. multilokaler<br />
Livelihoods siehe z.B. auch Beate Lohnert/Malte Steinbrink, Rural and Urban Livelihoods.<br />
A Translocal Perspective in a South African Context, in: South African<br />
Geographical Journal, 87. 2005, S. 95–103; Norman Long, Translocal Livelihoods,<br />
Networks of Family and Community, and Remittances in Central Peru, in: Josh<br />
DeWind/Jennifer Holdaway (Hg.), Migration and Development within and Across<br />
Borders: Research and Policy Perspectives on Internal and International Migration,<br />
Genf/New York 2008, S. 39–70; Susan Thieme, Sustaining Livelihoods in Multilocal<br />
Settings: Possible Theoretical Linkages between Livelihoods and Transnational Migration<br />
Research, in: Mobilities, 3. 2008, S. 51–71; Malte Steinbrink, Leben zwischen<br />
Land und Stadt. Migration, Translokalität und Verwundbarkeit in Südafrika, Wiesbaden<br />
2009; Clemens Greiner, Patterns of Translocality: Migration, Livelihoods and<br />
Identities in Northwest Namibia, in: Sociologus, 60. 2010, S. 131–161; Einhart<br />
Schmidt Kallert, A New Paradigm of Urban Transition: Tracing the Livelihood<br />
Strategies of Multi-Locational Households, in: Die Erde, 140. 2009, S. 319–336. Siehe<br />
zudem Ulrike Freitag/Achim von Oppen (Hg.), Translocality. The Study of Globalising<br />
Processes from a Southern Perspective, Leiden 2010.<br />
10 John Agnew, The Territorial Trap: The Geographical Assumptions of International<br />
Relations Theory, in: Review of International Political Economy, 1. 1994, S. 53–80.<br />
Vgl. hierzu auch die Einleitung dieses <strong>Heft</strong>es von Martin Geiger und Malte Steinbrink.<br />
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