Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Malte Steinbrink<br />
tenzsicherung; politisch-ökonomisch betrachtet, sind sie jedoch auch Steuerungselement<br />
eines Wirkungszusammenhangs, dessen innere Dynamik das<br />
sozio-ökonomische Gefälle fortschreibt und verstärkt. An die Stelle des staatlich-institutionellen<br />
Zwangs sind die Selbstorganisation und das rationale<br />
Handeln von im juristischen Sinne freien Akteuren getreten. Angesichts der<br />
beschriebenen Verwundbarkeitsbedingungen offenbart sich jedoch die Beschränkung<br />
der tatsächlichen Freiheiten. Die Ausführungen zu den Abakhaya<br />
zeigen exemplarisch, wie der strukturelle Druck auch innerhalb der sozialen<br />
Netzwerke als sozialer Druck auf den Einzelnen wirkt und dessen<br />
Handlungsfreiheit soweit beschneidet, dass die Rede von ›Handlungszwang‹<br />
angemessener ist. Das System der translokalen Existenzsicherung, so muss<br />
man also resümieren, trägt im südafrikanischen Fall massiv dazu bei, das<br />
Muster der räumlichen Disparitäten zu verfestigen.<br />
4.2 Translokalität – transitiv oder permanent?<br />
Die Fallstudie gibt wenig Anlass zu der Annahme, dass die translokale Existenzsicherung<br />
in näherer Zukunft an Bedeutung verlieren wird oder lediglich<br />
ein transitives Phänomen im südafrikanischen Urbanisierungsprozess<br />
darstellt. Die raumübergreifende Organisationsform der Livelihoods ist ein<br />
Ergebnis von Anpassung und rationalem Handeln. Das bedeutet, solange es<br />
rational erscheint, in einen translokalen Lebenszusammenhang eingebunden<br />
zu sein, wird dieser auch fortbestehen. Die Studie zeigte darüber hinaus, dass<br />
die translokalen Strukturen nicht vorwiegend deswegen entstehen und sich<br />
erhalten, weil sie große Prosperitätschancen für die Haushalte bergen, sondern<br />
hauptsächlich aufgrund fehlender Alternativen – es besteht eine Notwendigkeit<br />
zur Translokalität.<br />
Es wäre nun verfehlt, die Ursachen hierfür im ländlichen oder im städtischen<br />
Raum zu suchen. Auf beiden Seiten des Land-Stadt-Zusammenhangs<br />
wirken Rahmenbedingungen verursachend auf die Notwendigkeit der<br />
Translokalität. Das deutet darauf hin, dass die Verwundbarkeit selbst zur<br />
Stabilisierung der translokalen Zusammenhänge beiträgt. Anders ausgedrückt:<br />
Die Translokalität stabilisiert sich durch die zeitlich stabile Instabilität<br />
der Lebensbedingungen in den sozial vernetzten Teilräumen. So zeigt sich,<br />
dass die translokale Organisation der Haushalte zwar sehr wohl als Strategie<br />
geeignet ist, mit den jeweiligen Unsicherheiten umzugehen, jedoch führt die<br />
raumübergreifende Organisation der Livelihoods allein nicht zu einer Verringerung<br />
der Notwendigkeit der Translokalität. Diese bleibt bestehen, und<br />
sie ergibt sich in hohem Maße aus den translokalen sozialen Wirklichkeiten<br />
selbst.<br />
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