Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Julia Verne und Martin Doevenspeck<br />
2.5 Nomadismus als konzeptionelle Grundhaltung?<br />
Diese Überlegungen deuten darauf hin, dass es hier um mehr geht als nur<br />
um das Preisen von Mobilität. Stattdessen vollzieht sich mit dem mobility turn<br />
ein konzeptioneller Wandel: Mobilität wird nicht mehr als etwas Außergewöhnliches<br />
verstanden, sondern zu einem zentralen Bestandteil der Sicht auf<br />
die Welt. In der Geographie wird dieser mobility turn neben einem verstärkten<br />
Interesse an Mobilität als Forschungsthema vor allem auf theoretischer<br />
Ebene deutlich. Die sedentaristische Vorstellung von in sich geschlossenen<br />
Orten als Ruhepol verliert zunehmend an Bedeutung und wird durch eine<br />
relationale Perspektive abgelöst, welche die multiplen Bewegungen und Beziehungen<br />
zwischen Orten betont. 44 Auch methodologisch können in den<br />
letzten Jahren zahlreiche Versuche beobachtet werden, diesem mobility paradigm<br />
auch forschungspraktisch gerecht zu werden. 45 Die Fokussierung auf<br />
Mobilität betont die Wichtigkeit des ›Werdens‹ anstelle des ›Seins‹, so dass es<br />
zumindest auf konzeptioneller Ebene scheint, als wäre eine »sedentarist metaphysic<br />
[…] no longer in action«. 46<br />
Doch wie übersetzt sich dieser viel proklamierte mobility turn in die<br />
Forschungspraxis? Spiegelt sich dieser theoretische Perspektivenwechsel<br />
auch in der Art und Weise wider, wie über Mobilität in wissenschaftlichen<br />
Veröffentlichungen gesprochen wird? Ist auch hier Mobilität zu etwas ›Gewöhnlichem‹<br />
geworden oder klingt das Ideal der Verwurzelung, der Ortsverbundenheit<br />
und Stabilität weiterhin durch? Um diesen Fragen nachzugehen,<br />
wollen wir den Blick nun auf die Forschung zu Migration in Afrika lenken.<br />
Ähnlich wie Malkki in ihrer Untersuchung der Diskurse über Flüchtlinge,<br />
sehen wir hier ein Forschungsfeld, in dem eine sedentaristische<br />
Grundhaltung lange Zeit besonders auffällig gewesen ist. 47<br />
3 Mobilität als Ausnahmezustand?<br />
Repräsentationen von Migration in Afrika<br />
70<br />
»In general, within the development literature migration has been framed as a<br />
problem: a response to crisis rather than a ›normal‹ part of people’s lives«. 48<br />
44 Ash Amin, Spatialities of Globalisation, in: Environment and Planning A, 34. 2002,<br />
S. 385–399; ders., Regions Unbound: Towards a New Politics of Place, in: Geografiska<br />
Annaler B, 86. 2002, S. 33–44; Doreen Massey, A Global Sense of Place, in: dies.<br />
(Hg.), Space, Place and Gender, Cambridge 1994, S. 146–156; Michael P. Smith,<br />
Transnational Urbanism, Oxford 2001.<br />
45 Adey, Mobility; Sheller/Urry, The New Mobilities Paradigm.<br />
46 Cresswell, On the Move, S. 47.<br />
47 Malkki, National Geographic, S. 31.<br />
48 Bakewell, Keeping Them in Their Place, S. 1345.