Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Martin Geiger und Malte Steinbrink<br />
Standörtlichkeiten und Distanz-Relationsgefügen sah. Gleichzeitig entspricht<br />
Webers Beschreibung von Mobilität/Migration 64 als körperliche Bewegung<br />
zwischen verschiedenen erdräumlichen Raumstellen durchaus einer konventionellen,<br />
raumgebundenen sowie raumbindenden Konzeptionalisierung, die<br />
disziplinübergreifend auch außerhalb der Geographie besteht. Mobilität gilt<br />
dabei meist als relativ unproblematisch; doch sobald territoriale/politische<br />
Grenzen 65 überschritten werden – Mobilität also als (internationale) Migration<br />
stattfindet – wird sie problematisiert und politisiert. 66 Migration setzt bereits<br />
qua definitionem Grenzziehungen voraus: Ohne territoriale Grenze keine<br />
Migration. Aufgrund dieser raum- und grenzfixierten Definition wird bei<br />
der Analyse von Migration fast zwangsläufig eine containerräumliche Betrachtungsweise<br />
reproduziert; die Grenze erfährt kontinuierliche Bestätigung,<br />
ohne selbst explizit thematisiert bzw. hinterfragt zu werden.<br />
Dementsprechend hat die Migrationsforschung immer raumbezogen<br />
(und raumreproduzierend) geforscht. Für die Geographen lag der Auftrag eindeutig<br />
in der räumlichen Erfassung, Beschreibung, Analyse und Prognose<br />
von Wanderungsvorgängen und den mit ihnen verbundenen (räumlichen)<br />
Folgen. Im Mittelpunkt geographischer Forschung standen zumeist folgende<br />
Fragestellungen: Welche Eigenschaften des ›Herkunftsraums‹ bedingen das Entstehen<br />
von Auswanderung? Wie verändert sich der Raum des Zielgebiets (bzw. des<br />
Gebiets der Rückkehr) durch Migrationsphänomene? Welche räumlichen Regelmäßigkeiten<br />
lassen sich in Bezug auf Migration feststellen?<br />
In den meisten migrationswissenschaftlichen Untersuchungen gilt<br />
Raum (und die ihn konstituierenden Grenzen) bis heute als gegebene und<br />
statische Referenz, als eine Kategorie, die wie selbstverständlich den Bezugsrahmen<br />
für die Untersuchung von (internationaler) Migration bildet.<br />
Dieses allgemeine methodologische Grundproblem, Gesellschaft und<br />
gesellschaftliche Phänomene wie Migration kaum losgelöst von spezifischen<br />
reifizierten Raumkonstrukten erforschen zu können, wird in der englisch-<br />
64 Mobilität dient in der Regel als Oberbegriff der beiden Hauptformen Migration<br />
(dauerhafte Wohnortverlagerungen) und zirkuläre Mobilität (Pendeln zwischen verschiedenen<br />
Funktionsstandorten).<br />
65 Im Anlehnung an den Sozialgeographen Benno Werlen lässt sich auch von gewohnten,<br />
»alltäglichen Regionalisierungen normativ-politischer Ordnung« sprechen, die<br />
durch den Prozess der Migration (das »Geographie-Machen« der Migranten) prinzipiell<br />
in Frage gestellt werden: Benno Werlen, Sozialgeographie alltäglicher Regionalisierungen.<br />
Bd. 2: Globalisierung, Region und Regionalisierung, Stuttgart 1997,<br />
S. 274. In ähnlicher Weise bezeichnet die Migrationsgeographin Felicitas Hillmann<br />
Migration auch als eine »räumliche Definitionsmacht« von Migranten: Felicitas<br />
Hillmann, Migration als räumliche Definitionsmacht? Beiträge zu einer neuen Geographie<br />
der Migration in Europa, Stuttgart 2007, S. 127.<br />
66 Vgl. dazu auch den Beitrag von Martin Doevenspeck und Julia Verne in diesem<br />
<strong>Heft</strong>.<br />
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