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Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück

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Malte Steinbrink<br />

klärungsmuster, denn witchcraft wird fast ausschließlich mit umona (Neid/<br />

Missgunst) in Verbindung gebracht. 36 Innerhalb der Abakhaya besteht eine<br />

stark handlungsleitende Neidangst. Diese begründet die Bestrebung des Einzelnen,<br />

keinen Neid in seinem sozialen Umfeld hervorzurufen – also normgerecht<br />

zu teilen. Eine Unterstützungsleistung gegenüber einer Person, die<br />

entsprechend der Normen einen Anspruch auf Hilfe hat, zu verweigern,<br />

wird geradezu als eine gefährliche Handlung mit kaum abschätzbaren negativen<br />

Folgen angesehen. Die drohenden Konsequenzen werden oft als<br />

schwerwiegender bewertet als die ökonomische Belastung des Gebens. Die<br />

Angst vor Hexerei ist also ein indirektes Mittel zur Sanktionierung, sie trägt<br />

zur Aufrechterhaltung der Verhaltensnormen und zum Funktionieren der<br />

Distributionsmechanismen innerhalb des sozialen Netzwerks bei.<br />

Die Norm des Teilens fußt somit wesentlich auf einem impliziten Zwang<br />

zum Teilen. Das System der informellen sozialen Sicherung stabilisiert sich<br />

folglich nicht nur darüber, dass es positive Effekte für die Vernetzten mit sich<br />

bringt (Opportunitäten und Sicherheit), sondern auch über die Angst vor<br />

Sanktionen. Der eindeutig handlungsleitende Charakter von Neidangst können<br />

als die Kehrseite des in der entwicklungssoziologischen Literatur oft romantisierten<br />

Konzepts des Ubuntu oder auch als ›die dunkle Seite des ubuntu‹<br />

beschrieben werden. Die Berücksichtigung dieses Aspekts relativiert die<br />

Vorstellung einer harmonischen Solidargemeinschaft und öffnet den Blick<br />

auf die negativen Auswirkungen hinsichtlich der (ökonomischen) Entfaltungsmöglichkeiten<br />

des Einzelnen und darüber hinaus.<br />

Unter den derzeitigen Bedingungen indes scheinen Misstrauen und<br />

Angst paradoxerweise elementare Bedingungen für das Funktionieren des<br />

Systems der generalisierten Unterstützung zu sein, denn sie sind Medien des<br />

erzwingbaren Vertrauens. So wird deutlich, dass die stark egalisierenden<br />

Mechanismen innerhalb der Gruppe zum einen zwar die Überlebensgrundlage<br />

für viele darstellen, aufgrund des Nivellierungsdrucks jedoch gleichzeitig<br />

ein Prosperitätshindernis für diejenigen ist, denen es nur sehr schwer gelingt,<br />

sich aus dem Netz zu befreien, das andere auffängt. Diese ›Kehrseite<br />

des ubuntu‹ sichert so für viele Migranten die Existenz in der Stadt und ermöglicht<br />

auch so die Translokalität.<br />

Die Abakhaya-Group erleichtert die Translokalität<br />

Die Kommunikationsdichte innerhalb des Abakhhaya-Netzwerks ist sehr<br />

groß und basiert im Wesentlichen auf persönlichen Kontakten zwischen den<br />

Gruppenmitgliedern. Die häufigen gegenseitigen Besuche dienen nicht nur<br />

36 Vgl. David Signer, Die Ökonomie der Hexerei oder warum es in Afrika keine Wolkenkratzer<br />

gibt, Wuppertal 2004; Burghart Schmidt/Rolf Schulte, Witchcraft in<br />

Modern Africa, Hamburg 2007 sowie Steinbrink, Leben zwischen Land und Stadt,<br />

S. 370f.<br />

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