Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Malte Steinbrink<br />
stärkeren Regionen erwirtschafteten Einkommens der Migranten – in unserem<br />
Fall etwa 20% – in die benachteiligten ländlichen Regionen transferiert<br />
wird. Würde man die Summe der jährlichen Rücküberweisungen aufrechnen,<br />
so könnte sie wie ein mächtiger regionaler Ausgleichsstrom erscheinen.<br />
Kleinräumiger betrachtet entpuppt er sich jedoch als eine Umverteilung zwischen<br />
strukturschwachen Orten. Im südafrikanischen Jargon gesprochen: Die<br />
Ströme fließen zwischen verschiedenen previously disadvantaged areas – zwischen<br />
den ehemaligen black townships und den rural locations in den ehemaligen<br />
bantustans. Die translokalen Strukturen sind in ihrer Ausprägung nicht<br />
als Medium sozialer Umverteilung zwischen Arm und Reich zu begreifen,<br />
sondern die Kapitalströme fließen zwischen (previously) disadvantaged people –<br />
die Verwundbaren zahlen an Verwundbare. Wohlhabender werden die<br />
Haushalte durch diesen Transfer allein nicht. Für die Beantwortung der Frage,<br />
ob der Transfer trotzdem nachhaltige Folgeeffekte haben könnte, die<br />
langfristig zum Abbau der Disparitäten führen, ist es hilfreich, den Blick auf<br />
die Verwendung der Transferzahlungen zu lenken. Eigene Untersuchungen<br />
43 zeigen, dass die Rücküberweisungen hauptsächlich zur Deckung des<br />
Konsumbedarfs (im Wesentlichen zur Befriedigung der unmittelbaren<br />
Grundbedürfnisse) verwendet werden. Der Transfer stimuliert keine endogenen<br />
Wachstumsdynamiken in der lokalen Ökonomie. Produktive Investitionen<br />
werden unter den derzeitigen Bedingungen von den meisten Haushalten<br />
nicht getätigt, weil die verfügbaren Finanzmittel nicht ausreichen oder<br />
Investitionen als zu riskant angesehen werden. Hinzu kommt, dass die<br />
Translokalität der Existenzsicherung eine wachstumshemmende Anomalie in<br />
der demographischen Struktur der Wohnbevölkerung nach sich zieht, die<br />
eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung auf dem Land deutlich erschwert.<br />
Auch dies trägt dazu bei, dass die wichtigste auf dem Land verfügbare<br />
Ressource – der Boden – ineffektiv oder gar nicht genutzt wird. Wachstumschancen<br />
im landwirtschaftlichen Bereich bieten sich unter den derzeitigen<br />
Bedingungen nicht. Der translokale Einkommenstransfer stellt insofern<br />
keinen Beitrag zum Ausgleich der regionalen Disparitäten dar.<br />
Auch auf der innerstädtischen Ebene wird das räumliche Muster der Ungleichheit<br />
durch die translokalen Interaktionszusammenhänge kontinuierlich<br />
erneuert. So verweist der Einkommenstransfer durch die Rücküberweisungen<br />
auf einen Abfluss von Kapital aus benachteiligten Stadtgebieten und bedeutet<br />
also eine Minderung von Kaufkraft und Investitionsmöglichkeiten<br />
und gleichzeitig eine Verschärfung der innerstädtischen Disparitäten. Hinzu<br />
kommt, dass das wirtschaftliche Handeln in den translokalen Netzwerkstrukturen<br />
der Migranten zutiefst durch soziale Normen, gegenseitige Kontrolle<br />
und Sanktionen beeinflusst ist. Das Investitionsverhalten ist entspre-<br />
43 Steinbrink, Leben zwischen Land und Stadt.<br />
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