Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Hans-Joachim Wenzel<br />
ten im Herkunftsgebiet (brain drain) oder um die Folgen ihrer Zuwanderung<br />
im Zielgebiet und um ihre mögliche Einflussnahme von dort aus auf eine positive<br />
Entwicklung im Herkunftsgebiet (brain gain). Moderne Formen der Arbeitsmigration<br />
sind unter vergleichbaren Gesichtspunkten aufzuschlüsseln,<br />
ebenso wie z.B. die Arbeitswanderung als zirkulierendes Migrationssystem<br />
in Afrika (vgl. Kap. 2.1), bei dem die Frage der Existenzsicherung von Haushalten<br />
im Vordergrund steht.<br />
Es gibt keine feststehende Definition von Geographischer Migrationsforschung.<br />
Unbestritten ist jedoch, dass die Kategorie ›Raum‹ bei ihr eine besondere<br />
Rolle spielen müsste. Bekanntlich gibt es unterschiedliche Raumbegriffe<br />
(vgl. Kap. 3.1), die alle mit unterschiedlichem Gewicht in der Migrationsforschung<br />
Berücksichtigung finden. Zu ihnen zählt zunächst der objektiv<br />
beschreibbare Raum (auch der physisch-materielle/ökologische) genauso<br />
wie der relationale Raum (als System von Lagerelationen, z.B. sozialer Daseinsäußerungen),<br />
dann der subjektiv wahrgenommene sowie der sozial<br />
konstruierte Raum. Mithilfe dieser verschiedenen Raumkategorien können<br />
z.B. auch die räumlichen Abwanderungs- und Zuwanderungskontexte mitsamt<br />
ihren lokalen Handlungsoptionen und -bedingungen beschrieben werden.<br />
In der modernen Sozialgeographie bilden diese Raumbegriffe allerdings<br />
nur eine Vorstufe zu einem tiefergreifenden Raumverständnis, das Raum im<br />
Kern als Medium der Kommunikation begreift (vgl. Raumsemantiken). In<br />
diesem Verständnis geht es um die Konstruktion von Orts- und Raumbedeutungen<br />
im Kontext von Migrationsentscheidungen und um handlungsrelevante<br />
Interpretationen von räumlichen Umweltstrukturen. Die aktuelle<br />
Transnationalismusforschung verdeutlicht dabei, dass transnationale Räume<br />
und Identitäten die herkömmlichen Raumabgrenzungen und Raumvorstellungen<br />
in Frage stellen. Wie zuvor ausgeführt, ist die Eindeutigkeit des (containerräumlichen)<br />
Bezugsrahmens des Nationalstaats für viele Migrationsbeziehungen<br />
nicht mehr gegeben. Transnationale Netzwerkstrukturen, die sich<br />
in der Sozialdimension herausbilden, führen dazu, dass Herkunfts- und Zielgebiete<br />
überspannende Sozialräume entstehen (›transnationale Sozialräume‹).<br />
Diese stellen als mehr oder minder dauerhafte Verflechtungszusammenhänge<br />
eine neue Raumkategorie dar, die aber nicht, wie Bommes 48 treffend<br />
argumentiert, einen Gesellschaftsbegriff strukturtheoretisch ersetzen<br />
kann. Ebensowenig kann übrigens die Transnationalisierung die Bedeutung<br />
von Nationalstaaten völlig aushebeln. Transnationale Wanderungen sind<br />
also nicht primär räumlich zu erfassen. Vielmehr sind die dabei bedeutsamen<br />
Raummodi als eine Strukturbildung sozialer Systeme, also als eine offene,<br />
jeweils empirisch zu analysierende Frage zu behandeln. Die analogen Forschungsfragen<br />
müssten dann also lauten: Wann werden bei Migrationen<br />
48 Vgl. ders., Migration, Raum und Netzwerke, S. 99f.<br />
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