Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Malte Steinbrink<br />
Ergebnis der translokalen Praktiken, die die sozialräumlichen Vernetzungen<br />
rekursiv organisieren. Man kann dieses – ebenfalls in Anlehnung an Giddens<br />
– auch als ›Strukturation des Translokalen‹ bezeichnen. Zur Konzeptualisierung<br />
dieser Dualität ist es zunächst hilfreich zwischen a) der Translokalisierung<br />
(Prozess) und somit der Translokalität als Handlungsfolge einerseits<br />
und b) der Translokalität (Zustand) als Bedingung des Handelns zu unterscheiden:<br />
Zu a) Translokale sozialräumliche Strukturen sind nicht einfach als gegeben<br />
zu verstehen; Translokalität entsteht, sie erhält und verändert sich. Die<br />
translokalen Strukturen sind als (Zwischen-)Ergebnis eines Prozesses zu interpretieren.<br />
Aus dem Blickwinkel der Livelihood- und Verwundbarkeitsforschung<br />
steht dieser Prozess in einem engen Zusammenhang mit der Translokalisierung<br />
von Livelihood-Systemen. Livelihood-Systeme sind keine statischen Gebilde,<br />
sondern unterliegen der gesteuerten Dynamik eines permanenten<br />
Wandlungsprozesses. Die Systeme der Lebensabsicherung sind immer das<br />
Ergebnis einer mehr oder weniger gelungenen Anpassungsleistung, also einer<br />
Veränderung der Livelihood-Strategien als Reaktion auf sich verändernde<br />
Handlungskontexte. Die Translokalisierung ist somit der ›räumliche‹<br />
Ausdruck dieses Anpassungsprozesses, und damit sind die sozialräumlichen<br />
Strukturen als Folge sich verändernder Handlungsstrategien zu interpretieren.<br />
Zu b) Translokalität ist nicht nur Handlungsfolge, sondern sie stellt<br />
selbst auch einen wichtigen Aspekt des Kontextes dar, der das Handeln der<br />
eingebundenen Akteure beeinflusst.<br />
Durch die im Zuge des Translokalisierungsprozesses der Existenzsicherungssysteme<br />
entstehenden Verflechtungszusammenhänge entwickeln sich<br />
Strukturen, die grundsätzlich ermöglichenden und einschränkenden Charakter<br />
haben. Die translokalen Strukturen stellen folglich – sozusagen auf der<br />
Meso-Ebene der Netzwerke – ein Element des Handlungskontextes dar, auf<br />
den die Zwecksetzungen und die Livelihood-Strategien der eingebundenen<br />
Akteure abgestimmt sind und auf die sie immer wieder abgestimmt werden<br />
müssen. Die Anpassung der Livelihood-Strategien findet also innerhalb der<br />
translokalen Strukturen statt und innerhalb ihrer wird strategisch gehandelt<br />
und durch das strategische Handeln reproduziert sich die sozialräumliche<br />
Struktur als Folge und Bedingung des Handelns usw.<br />
Dieser Gedanke der Dualität des Translokalen ist zentral für die handlungsorientierte<br />
Analyse der sozialräumlichen Verflechtungen, denn er verdeutlicht,<br />
dass die Verflechtungsstrukturen nicht unabhängig vom Handeln<br />
in sozialen Interaktionszusammenhängen zu denken sind. Es wird dadurch<br />
zudem klar, dass Translokalität nicht aus sich heraus ist, sondern nur als rekursive<br />
Praxis gedacht werden kann.<br />
172