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Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück

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Benjamin Etzold und Patrick Sakdapolrak<br />

Die relativ hohen Kosten für die Migration erklären, warum es gerade nicht<br />

die ›Ärmsten der Armen‹ sind, die ihre Heimatländer verlassen. Erst ein relativer<br />

Wohlstand ermöglicht das Migrationsprojekt. 102 Die Migrationskosten<br />

zeigen zudem, dass die Sicherheit beziehungsweise Verwundbarkeit der Migranten<br />

auf ihrem Weg nach Europa in einem eindeutigen Zusammenhang<br />

mit ihren finanziellen Möglichkeiten steht. 103 Die relativ besser gestellten<br />

Migranten können sich eine schnellere und sicherere Passage durch die Sahara<br />

und über das Mittelmeer nach Europa leisten; beispielsweise einen Flug<br />

nach Marokko mit anschließender Bootsüberfahrt auf den kürzeren und daher<br />

weniger gefährlichen Routen in der Meerenge von Gibraltar. Ärmere Migranten<br />

benötigen nicht nur mehr Zeit für ihr Migrationsprojekt, sondern<br />

sind zugleich einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Sie organisieren die Fahrt<br />

zum Großteil selbst und reisen auf LKWs oder Geländewagen durch die Sahara.<br />

Erst wenn sie durch ausbeuterische Arbeit in Minen in der Wüste oder<br />

in der informellen Wirtschaft in den Städten im Zwischenraum genügend<br />

Geld angespart haben, können sie sich die Bezahlung der billigsten irregulären<br />

Migrationswege leisten. 104 Sie riskieren ihr Leben in der Wüste und auf<br />

den längeren (3 bis zu 10 Tage) und weitaus gefährlicheren Bootsfahrten von<br />

Südmarokko, West-Sahara, Mauretanien oder dem Senegal auf die Kanarischen<br />

Inseln, aber auch über Libyen nach Lampedusa, Sizilien oder Malta<br />

(Schaubild 4). Oder sie überqueren die Grenzzäune von Ceuta oder Melilla in<br />

Eigeninitiative. Die ärmsten Migranten ohne soziale Unterstützungsnetzwerke<br />

sind zugleich die verwundbarsten. 105<br />

Die unterschiedlichen Migrationsrouten weisen aber nicht nur auf die<br />

finanziellen Möglichkeiten der Migranten, sondern auch auf die Anpassungsfähigkeit<br />

der Migrationsindustrie hin, welche stets versucht, flexibel auf die<br />

Veränderungen der politisch-institutionellen Rahmenbedingungen im Grenzraum<br />

zu reagieren. So hatte die Einrichtung des Grenzüberwachungssystems<br />

SIVE an der Küste des spanischen Festlandes und auch die Einbindung Marokkos<br />

in die Bekämpfung der ›illegalen Emigration‹ eine sukzessive Verlagerung<br />

der irregulären Migration zwischen Marokko und Spanien zur Folge:<br />

zunächst von der Meerenge von Gibraltar auf die längeren Routen nach Andalusien,<br />

und dann von Südmarokko, Westsahara bzw. Mauretanien und<br />

dem Senegal auf die Kanarischen Inseln. 106 Der tragische Anstieg der Zahl<br />

der Todesfälle im Zwischenraum ist letztlich die Konsequenz dieser Verlage-<br />

102 De Haas, Migration and Development, S. 22.<br />

103 Vgl. auch UNDP (HDR 2009, S. 22, 27, 53–57) zur (Selbst-)Selektion im Migrationsprozess,<br />

u.a. aus Gründen des Alters, der Bildung und der finanziellen Ressourcen.<br />

104 Vgl. Gatti, Bilal.<br />

105 Collyer, States of Insecurity, S. 22.<br />

106 Vgl. Etzold, Illegalisierte Migration, S. 90–143.<br />

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