Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Julia Verne und Martin Doevenspeck<br />
Anhand dieser näheren Auseinandersetzung wird deutlich werden, dass<br />
auch dieser zunächst so mobilitätsoptimistisch wirkende Diskurs bei genauerer<br />
Betrachtung letztlich von sedentaristischen Idealen geprägt ist.<br />
5.1 Erste Annahme: Migration bringt Entwicklung<br />
Die zentrale Aussage rezenter politischer und wissenschaftlicher Diskurse<br />
lautet: Migration führt zu Entwicklung. So veröffentlichte das britische Department<br />
for International Development (DFID) ein Strategiepapier mit dem<br />
Titel Moving out of poverty – making migration work better for poor people, in dem<br />
zukünftige Schwerpunkte im Arbeitsbereich Migration und Entwicklung<br />
benannt werden: »DFID believes that actions to allow the movement of people<br />
deserve as much attention as the movement of capital, goods and services,<br />
to enable the benefits of globalisation to be sustained and shared equitably«.<br />
108 Diese und viele andere positive Stellungnahmen zur Mobilität gehen<br />
laut Bakewell109 vor allem auf den Global Development Finance Report der<br />
Weltbank von 2003 zurück, der die Aufmerksamkeit auf die enorme Zunahme<br />
von Rücküberweisungen richtete. 110 Die im Vergleich zu staatlicher Entwicklungshilfe<br />
und ausländischen Direktinvestitionen um ein Vielfaches höheren<br />
Summen privater Geldtransfers weckten das Interesse der ›Entwicklungsexperten‹.<br />
111<br />
Obwohl auch schon vor diesem Weltbankbericht verschiedene Untersuchungen<br />
zur Rolle von remittances vorlagen und es durchaus ein Bewusstsein<br />
für die teils erheblichen Transfersummen gab, dominierte bis dahin doch<br />
die Ansicht, dass diese Finanzmittel in den Herkunftskontexten der Migranten<br />
hauptsächlich für den kurzfristigen Konsum und die sogenannte ›conspicuous<br />
consumption‹ 112 und nicht für nachhaltige und längerfristige Investitionen<br />
mit positiven Entwicklungsimplikationen genutzt wurden. Darüber<br />
hinaus herrschte die Meinung, dass die vorhandenen Ungleichheiten in den<br />
Herkunftskontexten durch remittances verstärkt würden, da Familien ohne<br />
Migranten nicht profitieren würden. 113 Das positive Potential dieser Rück-<br />
108 DFID, Moving out of Poverty, S. 37.<br />
109 Bakewell, Keeping them in their Place, S. 15.<br />
110 Dilip Ratha, Workers’ Remittances: An Important and Stable Source of External Development<br />
Finance, in: Global Development Finance 2003, Washington, DC 2003,<br />
S. 157–175.<br />
111 Laut Weltbank sind die remittances von Migranten an »Entwicklungsländer« von 85<br />
Milliarden Dollar (2000) auf geschätzte 199 Milliarden Dollar (2006) angestiegen<br />
(World Bank 2006). Allein 12 Milliarden Dollar sollen 2002 nach Afrika geflossen<br />
sein, 15% der weltweiten remittances.<br />
112 Thorstein Veblen, The Theory of the Leisure Class, New York 1899.<br />
113 Edward J. Taylor, The New Economics of Labour Migration and the Role of Remittances<br />
in the Migration Process, in: International Migration, 37. 1999, S. 63–88, hier S. 72.<br />
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