Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück

Hans-Joachim Wenzel
Migration in der Geographischen
Entwicklungsforschung
Konturen und Verknüpfungen
unter Bezugnahme auf Studien zu Afrika
1 Einleitung: Geographische Entwicklungsforschung und
Migrationsforschung unter Globalisierungsbedingungen
Die seit Ende der 1980er Jahre verstärkt einsetzenden Globalisierungsprozesse
haben die Bedingungen sowohl für die Entwicklungsforschung als auch
für die Migrationsforschung grundlegend verändert: Territoriale Grenzziehungen
verlieren zunehmend ihre strukturierende Bedeutung. Dieses gilt vor
allem im Hinblick auf globale Kapitalströme sowie den Austausch von Gütern
und Dienstleistungen. Nach Meinung von Saskia Sassen und Myron
Weiner befindet sich das nationalstaatliche System spätestens seit den 1990er
Jahren in einer ernsten und nachhaltigen Krise. Sowohl in Bezug auf die Beeinflussung
ökonomischer Prozesse (siehe die aktuelle Finanz- und Währungskrise)
und nahezu unbeherrschbare grenzüberschreitende Umweltveränderungen,
ökologische Probleme und technologische Nebenwirkungen
und Desaster (siehe beispielsweise die Katastrophe von Fukushima), aber
nicht zuletzt eben auch im Hinblick auf weltweite Wanderungsbewegungen
(einschließlich Flucht, Asylsuche und Binnenwanderungen) habe der Nationalstaat
einen Großteil seiner Steuerungsfähigkeit schon heute nahezu eingebüßt.
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Die geographische Forschung scheint in besonderer Weise von diesen
globalen Kontextveränderungen betroffen zu sein, da sich ihre traditionell
raumbezogene (containerräumliche) und verräumlichende (territorialisierende)
Betrachtungsweise als zunehmend ungeeignet erweist, um den gegen-
Der Autor dankt seinem Freund und Kollegen Michael Bommes (gest. Dez. 2010) für vielfältige
Anregungen und Inspirationen im Grenzbereich von Gesellschafts- und Raumwissenschaften.
1 Myron Weiner, The Global Migration Crisis. Challenge to States and to Human
Rights, New York 1995; Saskia Sassen, Losing Control? Sovereignty in an Age of
Globalization, New York 1996.
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