Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Martin Geiger und Malte Steinbrink<br />
che Analyse dieser Meso-Ebene konzentriert sich zumeist auf jene sozialen<br />
Beziehungen, welche die Kosten und Risiken der Migration verringern.<br />
Die Analyse von Migrationsnetzwerken leistet somit einen relevanten<br />
Beitrag zur Erklärung von dynamischen Vorgängen in Migrationssystemen.<br />
Darüber hinaus eröffnet sie einen wichtigen Blickwinkel, um Phänomene der<br />
Kettenmigration, die »kumulative Verursachung von Migration« 79 und die Etablierung,<br />
Verstetigung und Veränderung von Migrationspfaden sowie von<br />
translokalen bzw. transnationalen sozialen Feldern besser zu verstehen. Innerhalb<br />
der netzwerkbezogenen Migrationsforschung entwickelte sich vor<br />
allem das Soziale Kapital zu einem ausgesprochen prominenten Konzept. 80<br />
Der Boom netzwerkanalytischer Ansätze in der internationalen Migrationsforschung<br />
steht exemplarisch für einen generellen, seit zwanzig Jahren<br />
zu beobachtenden Trend in den Sozialwissenschaften. 81 Auch in der internationalen<br />
Entwicklungsforschung erfreut sich der Netzwerkbegriff als analytisches<br />
Konzept zunehmender Beliebtheit. 82 Nach dem vermeintlichen »Scheitern<br />
der großen Theorien« (siehe oben) wandte sich die Entwicklungsforschung<br />
vor allem pragmatischeren akteurs- und handlungsorientierten<br />
Ansätzen zu. 83 Symptomatisch hierfür war das Aufkommen der Verwundbar-<br />
79 Vgl. Douglas S. Massey, Social Structure, Household Strategies, and the Cumulative<br />
Causation of Migration, in: Population Index, 56. 1990, S. 3–26; ders. u.a., An Evaluation<br />
of International Migration Theory: The North American Case, in: Population<br />
and Development Review, 20. 1994, S. 699–751.<br />
80 Vgl. Haug, Soziales Kapital.<br />
81 Vgl. Christian Stegbauer/Roger Häußling (Hg.), Handbuch Netzwerkforschung,<br />
Wiesbaden 2010; Dorothea Jansen, Einführung in die Netzwerkanalyse: Grundlagen,<br />
Methoden, Forschungsbeispiele, 3. Aufl. Wiesbaden 2003; Boris Holzer, Netzwerke,<br />
Bielefeld 2006.<br />
82 In diesem Zusammenhang ist besonders interessant, dass ein wichtiger Entwicklungsstrang<br />
der Sozialen Netzwerkanalyse (SNA) historisch in den Forschungen der<br />
sozialanthropologischen Manchester School in Nordrhodesien (heutiges Sambia)<br />
wurzelt, also aus der Beschäftigung mit sozialen Netzwerken im ›Entwicklungsländerkontext‹<br />
hervorgegangen ist. Vgl. Max Gluckmann, The Juridical Process among<br />
the Barotse in Northern Rhodesia, Glencoe, IL 1955; Bruce Kapferer, Norms and the<br />
Manipulation of Relationship in a Work Context, in: Clyde Mitchell (Hg.), Social<br />
Networks in Urban Situations, Manchester 1969.<br />
83 Thomas Dörfler u.a. stellen dar, dass diese allgemeine Trendwende in der Geographischen<br />
Entwicklungsforschung auf besonders fruchtbaren Boden fiel, da »sie die<br />
Forschungsperspektive auf überschaubare Kontexte reduzierte und den Forschungsgegenstand<br />
näher an die räumliche Mikroebene heranbrachte« – also näher an die<br />
(lokale) Maßstabsebene, die für entwicklungsgeographische Feldforschungen wohl<br />
am leichtesten zu handhaben ist und auf der die Geographen traditionell ihre größte<br />
Kompetenz vermuten. Die Autoren begründen die starke handlungs- und akteursorientierte<br />
Prägung der derzeitigen Geographischen Entwicklungsforschung damit,<br />
dass seit Mitte der 1990er Jahre Impulse der Giddens‘schen Handlungstheorie in der<br />
deutschen Geographie insgesamt zunehmend Fuß fassen. Vgl. Dörfler u.a., Habitus<br />
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