Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Malte Steinbrink<br />
In diesem Beitrag soll es darum gehen, das geographische Netzwerkdenken<br />
im Sinne des Themas des vorliegenden Sammelbandes fruchtbar zu<br />
machen. Es wird angestrebt, über die Netzwerkperspektive eine konzeptionelle<br />
Verknüpfung entwicklungsgeographischer und migrationsgeographischer<br />
Fragestellungen herzustellen. Im Mittelpunkt steht dabei der Zusammenhang<br />
von Migration, Netzwerk und Existenzsicherung.<br />
Im ersten Schritt wird die Sinnhaftigkeit einer translokalen Perspektive<br />
in der Entwicklungs- und Migrationsforschung begründet, anschließend<br />
werden die Grundzüge eines akteursorientierten Modells umrissen. Daran<br />
anschließend wird die entwickelte translokale Perspektive anhand einer bilokalen<br />
empirischen Fallstudie aus Südafrika exemplifiziert und das begriffliche<br />
Instrumentarium des ›Analysemodells des Translokalen‹ zur Anwendung<br />
kommen. Im Fokus steht dabei die soziale Formation der sogenannten<br />
Abakhaya-Groups. Es soll die Frage beantwortet werden, welche Rolle diese<br />
sozialen Migrantennetzwerke für die translokale Existenzsicherung haben.<br />
Im Resümee werden Rückschlüsse auf das Verhältnis von ›Translokalität und<br />
Entwicklung‹ gezogen.<br />
Die Netzwerkperspektive war lange Zeit vorwiegend eine Domäne der<br />
Wirtschaftsethnologie bzw. der Sozialanthropologie. Seit einigen Jahren erfährt<br />
der Netzwerkbegriff jedoch einen Boom weit über die Grenzen der ethnologischen<br />
Disziplin hinaus. In der Entwicklungsforschung finden die sozialen<br />
Netzwerke vor allem im Zuge der stärkeren Akteursorientierung der<br />
Forschung zunehmend Beachtung, und spätestens seitdem das Bourdieu’sche<br />
Konzept des Sozialkapitals seit Ende der 1990er Jahre seinen Siegeszug<br />
auch in der Entwicklungsforschung angetreten hat, ist die Rede von sozialen<br />
Netzwerken nicht mehr aus der Entwicklungsdebatte wegzudenken. 4<br />
Die Netzwerkperspektive ist im Wesentlichen aus zwei Richtungen in<br />
die Entwicklungsforschung eingeflossen:<br />
1) Zum einen wurde seit Ende der 1980er Jahre zunehmend Kritik an<br />
den rein ökonomistischen Ansätzen innerhalb der Entwicklungsforschung<br />
laut. Aus der Kritik an den konventionellen, auf monetäre Einkommensvariablen<br />
beschränkten Konzepten von Armut sowie aus der Kritik an der undifferenzierten<br />
Annahme, dass ›die Armen‹ eine homogene und passive<br />
Masse darstellten, entwickelte sich in der Folge die Forschungsrichtung der<br />
Verwundbarkeits- und Livelihood-Forschung. 5 Verwundbarkeit wurde gemäß<br />
dieser Sichtweise eben nicht gleichgesetzt mit materieller Armut, sondern als<br />
mehrdimensionale und kontextspezifische Situation des Mangels gedeutet,<br />
innerhalb welcher die Akteure aktiv handeln und Strategien des Umgangs<br />
4 Ben Fine, Social Capital versus Social Theory, London 2001.<br />
5 Robert Chambers, Vulnerability, Coping and Policy, in: IDS Bulletin, 20. 1989, S. 1–8;<br />
Jeremy Swift, Why are Rural People Vulnerable to Famine?, in: ebd., S. 8–15.<br />
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