Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Sedentarismus als Konstante der Migrationsforschung in Afrika<br />
»mobility fetishism« bezeichnet wird. 11 Bezogen auf das Phänomen der Migration<br />
aus Entwicklungsländern zeigt sich jedoch, dass diese Form der Mobilität<br />
in der Regel negativ konnotiert ist und mit Unordnung, Unberechenbarkeit<br />
und sogar Bedrohung gleichgesetzt wird. In beiden Fällen weist die<br />
»production of mobilities« 12 – die Zuschreibung von Sinn und Bedeutung zu<br />
unterschiedlichen Ausprägungen von Mobilität – darauf hin, dass Mobilität<br />
im Gegensatz zur Sesshaftigkeit grundsätzlich als etwas Außergewöhnliches<br />
und selten als etwas Alltägliches verstanden wird. Mobilität einfach »as a<br />
way of being in the world« 13 scheint in der Migrationsforschung im Entwicklungskontext<br />
bisher kaum eine Rolle zu spielen. 14<br />
In der Migrationsforschung erfolgt die Auseinandersetzung mit<br />
menschlicher Mobilität oft ohne sich aus einer Metaperspektive Gedanken<br />
über den Blickwinkel zu machen, von dem aus man das Phänomen betrachtet,<br />
und wie man es durch die Art der Auseinandersetzung mit Bedeutung<br />
auflädt. Tut man dies nämlich, wird deutlich, wie Mobilität in der Regel als<br />
eine Reaktion auf eine problematische Situation, als Ausdruck fehlender<br />
›Entwicklung‹, als Abweichung von ›normal‹ konzeptionalisiert wird, oft<br />
verbunden mit dem zumindest impliziten Ziel, Wege aufzuzeigen, bestimmte<br />
Formen von Mobilität zu verhindern. Ein Paradebeispiel für diese normative<br />
Aufladung und Politisierung von Mobilität stellen rezente Darstellungen<br />
der sogenannten Transitmigration politisch unerwünschter afrikanischer<br />
Zuwanderer in die Europäische Union dar. 15 Auch die Bewertung von Binnenwanderung<br />
und internationaler Migration innerhalb Afrikas folgt meist<br />
der einseitigen Vorstellung von Mobilität als (möglichst temporäre) Antwort<br />
auf absolute oder relative Notlagen – als »coping mechanism of last resort«. 16<br />
11 Canzler u.a., Tracing Mobilities, S. 2.<br />
12 Tim Cresswell, The Right to Mobility: The Production of Mobility in the Courtroom,<br />
in: Antipode, 38. 2006, H. 4, S. 735–754, hier S. 735.<br />
13 Cresswell, On the Move, S. 3.<br />
14 Vgl. Stephen Castles, Development and Migration – Migration and Development:<br />
What Comes First? Global Perspective and African Experiences, in: Theoria, 121.<br />
2009, S. 1–31; Oliver Bakewell, Keeping Them in Their Place: The Ambivalent Relationship<br />
between Development and Migration in Africa, in: Third World Quarterly,<br />
29. 2008, S. 1341–1358.<br />
15 Martin Baldwin-Edwards, Between a Rock and a Hard Place: North Africa as a Region<br />
of Emigration, Immigration and Transit Migration, in: Review of African Political<br />
Economy, 33. 2006, S. 311–324; Franck Düvell, Transit Migration: A Blurred and<br />
Politicised Concept, in: Population, Space and Place, 2010. DOI: 10.1002/psp.631;<br />
Joris Schapendonk, Staying Put in Moving Sands. The Stepwise Migration Process of<br />
Sub-Saharan African Migrants Heading North, in: Ulf Engel/Paul Nugent (Hg.), Respacing<br />
Africa, Leiden 2010, S. 113–139.<br />
16 Aderanti Adepoju, Internal and International Migration within Africa, in: Pieter Kok<br />
u.a. (Hg.), Migration in South and Southern Africa. Dynamics and Determinants,<br />
Kapstadt 2006, S. 26–45, hier S. 35.<br />
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