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Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück

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Translokale Livelihoods in Südafrika<br />

Gemeinschaft ist ein zentrales Element des Zusammenlebens in der Abakhaya-<br />

Group. In verschiedenen Interviews akzentuieren die Befragten die gegenseitige<br />

Hilfe oft als eine religiös-kulturelle Pflicht: »You know, our religion and our<br />

culture is to help each other – our culture is to share.« (Migrant, ca. 45 J.). Es würde<br />

indes zu kurz greifen, das System der generalisierten Unterstützung ausschließlich<br />

auf die durch Sozialisation verinnerlichten Werte (›value introjection‹)<br />

des Ubuntu zurückzuführen; und auch die Konzepte der Reziprozität<br />

(im Sinne eines instrumentellen Tit-for-Tat) oder der ›bounded solidarity‹ reichen<br />

nicht aus, um die relative Stabilität des Vertrauens- und Tauschsystems<br />

zu erklären. 34 So sind es vor allem auch soziale Zwänge und die starke soziale<br />

Kontrolle innerhalb der Gemeinschaft, die das Individuum zum normgerechten<br />

Verhalten veranlassen und auf diese Weise die Norm des Teilens<br />

aufrechterhalten. Die Erwartung negativer Konsequenzen eines nicht normgerechten<br />

Verhaltens ist häufig ein stark handlungsleitendes Motiv. Wegen<br />

der gemeinhin existenziellen Bedeutung der sozialen Unterstützungsleistungen,<br />

wegen der relativen Geschlossenheit des Netzes und wegen der großen<br />

Kommunikationsdichte innerhalb der Abakhaya-Group weist das soziale<br />

Netzwerk eine ausgeprägte interne Sanktionsfähigkeit auf. Aufgrund dieser<br />

Sanktionsfähigkeit entsteht innerhalb der Gruppe insgesamt eine relative Sicherheit,<br />

dass der Einzelne seiner Verantwortung im Kollektiv gerecht wird.<br />

Man kann hier mit Portes/Sensenbrenner 35 von einem erzwingbaren Vertrauen<br />

(»enforceable trust«) sprechen. Die Sanktionsfähigkeit des Netzes stellt eine<br />

der Voraussetzungen für die Entstehung und Nutzung von sozialem Kapital<br />

dar und insofern auch eine Voraussetzung für die Verteilungsmechanismen,<br />

die innerhalb der Gruppe ablaufen. Die Sanktionen im Netz sind zunächst<br />

nicht materiell, haben aber meist materielle Auswirkungen. Es ist vor allem<br />

der Verlust der Reputation, der eine Verschlechterung der Position innerhalb<br />

des Netzes und damit eine Verminderung des Sozialkapitals zur Folge hätte.<br />

Die Furcht vor Gerüchten und Gerede und letztlich vor sozialer Isolation<br />

spielt hierbei eine große Rolle.<br />

Das in diesem Zusammenhang wohl kraftvollste Medium, um die<br />

Normen des Teilens aufrechtzuerhalten, ist die weit verbreitete Angst vor<br />

Hexerei (ubugqwirha/unthakathi). Unglücksfälle unterschiedlicher Art (z.B.<br />

Unfall, Krankheit, Tod, Arbeitslosigkeit, Gewalt, Diebstahl) werden häufig<br />

mit Deutungen versehen, die im naturwissenschaftlichen Weltbild als fragwürdig<br />

gelten: Die Unglücksfälle seien Folgen von Hexerei. Die okkulten Erklärungsmuster<br />

erweisen sich jedoch bei näherer Betrachtung als soziale Er-<br />

34 Zu den verschiedenen Quellen des Sozialen Kapitals in Netzwerken vgl. Alejandro<br />

Portes/Julia Sensenbrenner, Embeddedness and Immigration. Notes on the Social<br />

Determinants of Economic Action, in: American Journal of Sociology, 98. 1993,<br />

S. 1320–1350, hier S. 1323f.<br />

35 Ebd., S. 1320–1350.<br />

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