Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Globale Arbeit – lokale Verwundbarkeit<br />
2.2 Stränge der migrationsbezogenen Verwundbarkeitsforschung<br />
Zahlreiche Autoren haben sich bei der Analyse von Migrationsprozessen in<br />
den letzten Jahren auf das Konzept der sozialen Verwundbarkeit gestützt.<br />
Vier Forschungsstränge können in diesem Zusammenhang identifiziert werden:<br />
Erstens fokussieren viele Forschungsarbeiten auf die Ursachen von Migration<br />
und richten ihre Aufmerksamkeit auf Armut, Ungleichheit und Verwundbarkeit<br />
als Grund bzw. Hindernis für Migration. Diese Arbeiten problematisieren<br />
die Ausstattung der Haushalte mit Aktiva und deren Einfluss<br />
auf Migrationshandlungen. Eine ausreichende Ausstattung mit bestimmten<br />
Ressourcen bildet die Voraussetzung dafür, dass Haushalte Migration als<br />
Existenzsicherungsstrategie verfolgen können. 36 Da Migration häufig mit erheblichen<br />
Investitionen verbunden ist, sind es oftmals gerade nicht die<br />
›Ärmsten der Armen‹, die das notwendige Startkapital für eine Migration in<br />
die Großstadt oder sogar in ein anderes Land aufbringen können. 37 Migration<br />
kann jedoch auch aufgrund einer unzureichenden Ressourcenausstattung<br />
der Haushalte im Herkunftsraum ausgelöst werden; beispielsweise wenn die<br />
verfügbaren Aktiva nicht mehr ausreichen, um grundlegende Bedürfnisse zu<br />
befriedigen. Oder es wird durch Migration versucht, die durch Belastungen<br />
(z.B. Verlust von landwirtschaftlicher Produktivität durch Bodenerosion) und<br />
Störungen (z.B. Naturkatastrophen) verlorengegangene Aktiva wieder auszugleichen.<br />
38<br />
Zweitens thematisieren zahlreiche Arbeiten Migration als Aspekt der<br />
Diversifizierung der Existenzsicherung in agrarisch geprägten ländlichen<br />
Regionen. Migration wird in diesem Zusammenhang als Teil einer multilokalen<br />
39 bzw. translokalen 40 Existenzsicherungsstrategie diskutiert, deren<br />
Bedeutung in den letzten Jahrzehnten zunimmt. Diese Arbeiten heben die<br />
Bedeutung von Rücküberweisungen und weiteren vielfältigen, oftmals sehr<br />
36 Humankapital (z.B. Wissen über Migrationsmöglichkeiten), Sozialkapital (z.B. soziale<br />
Beziehungen zu Akteuren im Zielraum) und Finanzkapital (z.B. Rimessen) haben<br />
somit eine migrationsauslösende und -lenkende Bedeutung. Vgl. Jörg Alt, Leben<br />
in der Schattenwelt. Problemkomplex illegale Migration. Neue Erkenntnisse zur Lebenssituation<br />
›illegaler‹ Migranten aus München und anderen Orten Deutschlands,<br />
Berlin/Karlsruhe 2003, S. 255–257, 288–290.<br />
37 Skeldon, Migration and Development, S. 8; UNDP, HDR 2009, S. 27; de Haas, Mobility<br />
and Development, S. 25.<br />
38 Neil W. Adger, Social Vulnerability to Climate Change and Extremes in Coastal<br />
Vietnam, in: World Development, 27. 1999, S. 249–269, hier S. 254.<br />
39 Leo de Haan/Annelies Zoomers, Development Geography at the Crossroads of<br />
Livelihood and Globalisation, in Tijdschrift voor Economische en Sociale Geografie,<br />
94. 2003, S. 350–362, S. 357.<br />
40 Vgl. Steinbrink, Leben zwischen Land und Stadt, S. 95–144.<br />
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