Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Globale Arbeit – lokale Verwundbarkeit<br />
rung der Routen im Zuge der zunehmenden Militarisierung der EU-Außengrenzen:<br />
Seit 1993 sind über 16.200 Menschen beim Versuch, nach Europa<br />
einzuwandern, ums Leben gekommen. Die meisten von ihnen sind auf dem<br />
Seeweg ertrunken, insbesondere vor den Küsten Spaniens, Italiens und Griechenlands.<br />
Unzählige Migranten sind im Zwischenraum verschollen. 107<br />
Irreguläre Migration, Verwundbarkeit und gesellschaftliche Widersprüche<br />
Irreguläre Migration ist kein strafrechtliches, sondern ein aufenthaltsrechtliches<br />
oder arbeitsrechtliches Delikt. Die Migranten versuchen sich der staatlichen<br />
Beobachtung zu entziehen und können demnach aber auch nicht vom<br />
Staat geschützt werden. 108 Es ist ebendiese Position außerhalb der nationalstaatlichen<br />
Gesetze – nicht mehr als Bürger ihres Herkunftslandes rechtlich<br />
geschützt und sich vor dem Gesetz im Transit- und Ankunftsland versteckend<br />
– welche irreguläre Migranten besonders verwundbar macht gegenüber<br />
Ausbeutung, Erpressung und Willkür. Die rechtliche Situation bedingt<br />
die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Exklusion und ist letztlich<br />
zentrale Ursache für ihre extreme Verwundbarkeit. 109 Aufgrund fehlender<br />
legaler Möglichkeiten der Zuwanderung und Beschäftigung führt der einzige<br />
Weg nach Europa über die Illegalität als Teil einer Lebenssicherungsstrategie.<br />
Die Migranten versuchen so in einer auf Profitmaximierung ausgerichteten<br />
Wirtschaft zu bestehen. 110 Die unvermeidbaren Begleiterscheinungen dieses<br />
Lebens »in der Schattenwelt« 111 , wie schlechte Arbeitsbedingungen, fehlende<br />
Absicherung, Lohnausfall, Betrug, Gewalt und Rechtlosigkeit, werden dabei<br />
notgedrungen in Kauf genommen. 112<br />
107 Stand im Juni 2012. Eine Auswertung der Datenbank der Initiative ›UNITED against<br />
Racism‹ (http://www.unitedagainstracism.org/) zeigt den Anstieg und die räumliche<br />
Verteilung der Todesfälle im Grenzraum. Vgl. Etzold, Illegalisierte Migration,<br />
S. 102, 103, 141.<br />
108 Bommes, Illegale Migration, S. 95.<br />
109 Vgl. Giorgio Agamben, Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben,<br />
Frankfurt a.M. 2002, S. 93; Michele LeVoy/Nele Verbruggen/Johan Wets (Hg.), Undocumented<br />
Migrant Workers in Europe, Brüssel 2004; Zygmunt Bauman, Verworfenes<br />
Leben. Die Ausgegrenzten der Moderne, Hamburg 2005, S. 113; GCIM; Migration<br />
in einer interdependenten Welt: Neue Handlungsprinzipien. Bericht der Weltkommission<br />
für Internationale Migration, Global Commission on International<br />
Migration (GCIM), Berlin 2005, S. 33.<br />
110 Vgl. Saskia Sassen, Arbeit ohne Grenzen. Migration und Staatssouveränität, in: Le<br />
Monde Diplomatique, 9.3.2001, S. 12f. Bommes bezeichnet die Illegalität sogar als<br />
einen gewissen wirtschaftlichen Wettbewerbsvorteil der irregulären Migranten gegenüber<br />
anderen Arbeitskräften. Bommes, Illegale Migration, S. 99.<br />
111 Alt, Leben in der Schattenwelt.<br />
112 Vgl. Victor Angul Lluch, Apartheid unter Plastikplanen. Ausschreitungen gegen Arbeitsmigranten<br />
in Andalusien, in: Le Monde Diplomatique, 17.3.2000; LeVoy u.a.,<br />
Undocumented Migrant Workers.<br />
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