Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Migration in der Geographischen Entwicklungsforschung<br />
Das Thema Migration spielte in ihnen nur eine marginale Rolle. Die Darstellungsweise<br />
ist eher oberflächlich beschreibend und aufzählend, jedoch nicht<br />
analytisch. 8 Als repräsentatives Beispiel kann die Länderkunde ›Afrika südlich<br />
der Sahara‹ von Manshard aus dem Jahre 1970 gelten. Diese schwerpunktmäßig<br />
auf die Beschreibung räumlicher Differenzierung von »geographischen<br />
Sachverhalten« ausgelegte Länderkunde spiegelt mit dem nicht infrage gestellten<br />
Modernisierungsansatz den Zeitgeist der 1960er Jahre wider. Demzufolge<br />
werden europäisch geprägte Wertvorstellungen meist unkritisch auf<br />
afrikanische Verhältnisse und ihre Beurteilung projiziert; als entwicklungsfähig<br />
gilt das Moderne, das die Europäer befördert haben. Interkulturelle Probleme<br />
sind im Wesentlichen, so der vermittelte Eindruck, spezielle ›afrikanische‹<br />
Probleme. Arbeitswanderung wird in diesem Kontext als notwendiges<br />
Bindeglied für die prosperierende, europäisch bestimmte Plantagenwirtschaft<br />
und den internationalen Bergbau, z.B. in Südafrika, beschrieben. Dabei<br />
wird sie zwar in ihren Grundstrukturen im Wesentlichen nachgezeichnet,<br />
jedoch ohne ihre regionalökonomischen Auswirkungen in den jeweiligen<br />
Herkunfts- und Zielregionen darzustellen oder ihr Entstehen im Kontext der<br />
europäischen Wirtschaftsinteressen und deren hegemonialer Durchsetzung<br />
zu analysieren. Die Arbeitsmigranten werden in Bezug auf die Entwicklung<br />
ihres Herkunftsgebietes als ›Innovationsträger‹ und ›Entwicklungsagenten‹<br />
bezeichnet. Dieser modernisierungstheoretische Wunschtraum hatte aber mit<br />
der Wirklichkeit wenig zu tun (siehe unten). Zudem findet die Zuwanderung<br />
der Europäer und ihre koloniale Durchdringung von Wirtschaft und Gesellschaft<br />
keine systematische Berücksichtigung. Ebenso werden andere strukturbestimmende<br />
Zuwanderungen von Minderheiten (z.B. von Indern, Libanesen)<br />
in ihren Entwicklungseinflüssen nur kurz gestreift. Die Land-Stadt-<br />
Wanderung wird im Sinne von Modernisierung einseitig als Voraussetzung<br />
für Urbanisierung und Industrialisierung dargestellt (»die schwarze Arbeitskraft<br />
wird in der Stadt benötigt« 9 ).<br />
Auch in den Länderkunden zu einzelnen afrikanischen Staaten werden<br />
Migrationsthemen nur am Rande behandelt; darüber hinaus fehlen intensivere<br />
thematische Verknüpfungen von Migrations- und Entwicklungsfragen<br />
fast völlig. So kreist z.B. die Länderkunde über Sambia von Schultz 10 um die<br />
zentralen Begriffe Naturraum, Kulturlandschaft, Lebensraum und deren<br />
Nutzungsdifferenzierung nach sogenannten Wirtschaftsformen, ohne dass<br />
8 Walther Manshard, Afrika südlich der Sahara, Fischer Länderkunde, Frankfurt<br />
a.M./Hamburg 1970; Fritz Klute, Allgemeine Länderkunde von Afrika, Hannover<br />
1935; Horst Mensching, Nordafrika, Große Illustrierte Länderkunde, Gütersloh 1963;<br />
Bernd Wiese, Zaire, Landesnatur – Bevölkerung – Wirtschaft (Wissenschaftliche<br />
Länderkunden, Bd. 15), Darmstadt 1980.<br />
9 Manshard, Afrika südlich der Sahara, S. 270.<br />
10 Jürgen Schultz, Zambia (Wissenschaftliche Länderkunden, Bd. 23), Darmstadt 1983.<br />
41