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Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück

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Translokale Livelihoods in Südafrika<br />

4.3 Translokalität – Lösung oder Problem?<br />

Ob die Translokalität der Existenzsicherung in Hinblick auf die Armuts- und<br />

Verwundbarkeitsproblematik als positiv oder als negativ zu bewerten ist, ist<br />

eine naheliegende, wenn auch letztlich falsche Frage. Denn Translokalität ist<br />

beides – bzw. weder das eine noch das andere.<br />

Diese Einsicht hat unmittelbare Relevanz für die Praxis: In Politik und<br />

Planung kann es weder darum gehen, Maßnahmen zu entwickeln, um<br />

›Translokalität zu fördern‹, noch darum, direkte ›Maßnahmen gegen Translokalität‹<br />

zu ergreifen. Die Gefahr besteht einerseits darin, dass man aus dem<br />

Umstand, dass Translokalität Ergebnis von Anpassungsprozessen ist, folgert,<br />

das Ergebnis sei eine ›angepasste Lösung‹, die als Selbsthilfebemühung der<br />

Zielgruppe unterstützungswürdig sei. Damit ließe man außer Acht, dass die<br />

Translokalität in der beschriebenen Ausprägung Ausdruck von Zwängen<br />

und Alternativlosigkeit ist und selbst die Verwundbarkeit perpetuiert. Stellte<br />

man andererseits Letzteres ins Zentrum und akzentuierte Translokalität als<br />

Moment von Verwundbarkeit, so könnte man in eine zweite Falle tappen:<br />

Translokalität würde als zu lösendes Problem missdeutet werden – und dies<br />

wiederum würde der raumübergreifenden Organisationsform als einer existenziell<br />

wichtigen Möglichkeit des Umgangs mit einer oft prekären Gesamtsituation<br />

nicht gerecht werden.<br />

Daraus erschließt sich, dass es für die Entwicklungspraxis nicht um<br />

Maßnahmen gehen kann, die das translokale System selbst zum Gegenstand<br />

machen. Translokalität ist nicht Gegenstand, sondern Kontext von entwicklungspraktischer<br />

Arbeit. Es muss darauf ankommen, sich der Translokalität<br />

als Tatsache anzunehmen, ihre Dynamiken zu verstehen und zu berücksichtigen.<br />

Dies bedeutet, an die Stelle des containerräumlichen Denkens muss<br />

das Bewusstsein treten, dass alle Entwicklungsmaßnahmen, die translokal<br />

organisierte Gruppen betreffen, in deren translokalen Lebenszusammenhängen<br />

wirken. Sie haben raumübergreifende Effekte in dem Sinne, dass ein<br />

Eingriff auf der einen Seite auch Folgewirkungen auf der anderen Seite des<br />

translokalen Systems mit sich bringt und zudem Auswirkungen innerhalb<br />

des translokalen Systems selbst hat.<br />

Die Herausforderungen, welche die Wirkzusammenhänge des Translokalen<br />

an die Politik und Planung stellen, sind vielfältig; sie betreffen unterschiedlichste<br />

Bereiche (z.B. städtische Wohnraumversorgung, Infrastrukturplanung,<br />

staatliche soziale Transferleistungen, Landreformen). Patentrezepte<br />

für den Umgang mit Translokalität können nicht gegeben werden. Aber fest<br />

steht, dass eine translokale Perspektive unabdingbar ist, um den sozialen<br />

Realitäten in weiten Teilen des südlichen Afrikas und anderswo gerecht zu<br />

werden.<br />

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