Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Benjamin Etzold und Patrick Sakdapolrak<br />
von durchschnittlich 20.000 Baht 59 monatlich und damit ein Vielfaches der<br />
Einkommen der Binnenmigranten. 60<br />
Struktureller Kontext: die thailändische Migrationsindustrie<br />
Bei den Migranten aus dem Untersuchungsgebiet handelt es sich in der<br />
Mehrzahl um internationale Vertragsarbeitskräfte (Overseas Contract Workers).<br />
Nach der Definition der UN sind dies Personen, die im Ausland auf<br />
einer vertraglichen Basis arbeiten, die Beschränkungen bezüglich der Dauer<br />
des Aufenthalts und der auszuführenden Tätigkeiten vorsieht. 61 In Thailand<br />
obliegt die staatliche Regulierung der internationalen Vertragsarbeitskräftemigration<br />
dem Overseas Employment Administration Office (OEAO) im Ministry<br />
of Labour and Social Welfare; die gesetzlichen Regelungen und Prozeduren<br />
sind im Employment Recruitment and Protection of Job Seekers Act<br />
1985 (ergänzt 1994) festgeschrieben.<br />
Die eigentliche Rekrutierung der Arbeitskräfte wird in Thailand dem<br />
Markt bzw. privaten, profitorientierten Vermittlungsagenturen überlassen.<br />
Wie Piore62 feststellt, sind Rekrutierungssysteme und -aktivitäten das zentrale<br />
erklärende Moment für die räumlichen Migrationsmuster. Wie in Thailand<br />
insgesamt nimmt die kommerzielle Arbeitsvermittlung auch in Na<br />
Chan eine Schlüsselstellung im Migrationsprozess ein63 : Acht von zehn Migrationsereignissen<br />
im Untersuchungsgebiet kamen über die kommerziellen<br />
Agenturen zustande. Als Teile eines komplexen Netzwerks von Institutionen<br />
und Akteuren, das von einigen Autoren als »Migrationsindustrie« 64 bezeichnet<br />
wird, stellen die Agenturen das zentrale Verbindungsglied zwischen<br />
Herkunfts- und Zielland bzw. zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern<br />
dar. Die internationale Arbeitsvermittlung ist ein lukratives Geschäft, und so<br />
wuchs die Anzahl der Rekrutierungsagenturen seit dem Ende der 1970er Jahre<br />
enorm an – und mit ihnen auch die Missbrauchs-, Betrugs- und Täu-<br />
59 Dies entspricht etwa 410 Euro. Der Umrechnungskurs am 1.7.2003 betrug 1 Euro zu<br />
48,5 Thailändischen Baht.<br />
60 Berechnungen von Müller (Income Distribution, S. 124) zufolge erzielt ein Landwirtschaftsbetrieb<br />
in Nordost-Thailand mit Reisanbau ein durchschnittliches Jahreseinkommen<br />
von 27.000 Baht.<br />
61 UN, International Migration Policies, in UN (Hg.), World Population Monitoring<br />
1997: International Migration and Development, New York 1998, S. 92.<br />
62 Michael J. Piore, Birds of Passage: Migrant Labour and Industrial Society, London<br />
1979, S. 24.<br />
63 Anachalee Singhanetra-Renard, The Mobilization of Labour Migration in Thailand:<br />
Personal Links and Facilitating Networks, in: Mary M. Kritz u.a. (Hg.), International<br />
Migration Systems: A Global Approach, Oxford 1992, S. 190–204, hier S. 196; Massey<br />
u.a., Worlds in Motion, S. 188; Patrick Sakdapolrak, Internationale Arbeitsmigration<br />
aus Thailand. Eine Fallstudie, in: Pacific News, 23. 2005, S. 5–8.<br />
64 Massey u.a., Worlds in Motion, S. 278–280.<br />
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