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Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück

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Julia Verne und Martin Doevenspeck<br />

aufzufassen. Die Komplexität von Mobilität wird somit auf die einfache Vorstellung<br />

reduziert, dass sie durch universelle und generalisierbare Bedingungen<br />

erklärt werden könne. Mobilität und insbesondere Migration wird also<br />

auch gemäß dieser Sichtweise immer als Ausdruck eines Mangels verstanden,<br />

als ein Abweichen vom ›Normalzustand‹. Auch dieser Ansatz spiegelt<br />

somit deutlich eine sedentaristische Grundhaltung wider.<br />

2.3 Eine neue Affinität zum Nomadismus<br />

Vor allem im Kontext von Postmoderne und Poststrukturalismus wird Mobilität<br />

zunehmend positiv konnotiert. Wie in der Einleitung bereits kurz angedeutet,<br />

steht Mobilität hier vor allem für Dynamik, Fortschritt und Freiheit,<br />

was allerdings nicht zwingend bedeutet, dass Mobilität damit auch zu etwas<br />

›Gewöhnlichem‹ wird. Oftmals wird Mobilität in diesem Zusammenhang als<br />

etwas verstanden, was im positiven Sinne über das ›Normale‹ hinausgeht. Im<br />

Gegensatz dazu steht die sedentaristische Idee von Bewegung als einer negativen<br />

Abweichung vom ›Idealzustand‹. Der Umgang mit Mobilität entfernt<br />

sich also immer weiter von den ablehnenden Positionen des Sedentarismus<br />

und wird stattdessen zum Synonym für die Überschreitung selbst auferlegter<br />

oder von außen oktroyierter Grenzen sowie für den Widerstand gegen herrschende<br />

und die freie Entfaltung einschränkende machtvolle Strukturen und<br />

Institutionen. Wie es Cresswell ausdrückt, wird nunmehr der Nomade zur<br />

»geographic metaphor par excellence of postmodernity« 35 : »As the world has<br />

appeared to become more and more mobile, so thinking about the world has<br />

become nomad thought«. 36<br />

2.4 Die Figur des Nomaden bei de Certeau, Deleuze und Guattari<br />

In seinem Buch ›The Practice of Everyday Life‹ 37 benutzt der Philosoph und<br />

Psychoanalytiker Michel de Certeau die Metapher des Nomaden zur Beschreibung<br />

eines postmodernen Denkens über Mobilität. Für de Certeau ist<br />

Macht an Territorien und Grenzen gebunden, die Ordnung und Kontrolle<br />

gewährleisten. Strategien, wie Klassifikationen, Kartierungen und Territorialisierungen<br />

dienen seiner Meinung nach zur »calculation (or manipulation)<br />

of power relationships«. 38 Dementsprechend versteht er Mobilität – also das<br />

Überschreiten territorialer Grenzen – als Strategie, starre Strukturen zu<br />

35 Tim Cresswell, Imagining the Nomad: Mobility and the Postmodern Primitive, in:<br />

Ulf Strohmayer/Georges Benko (Hg.), Space and Social Theory: Geographical Interpretations<br />

of Post-Modernity, Oxford 1997, S. 360–382, hier S. 360.<br />

36 Ders., On the Move, S. 43.<br />

37 Michel de Certeau, The Practice of Everyday Life, Berkeley 1984 [1974].<br />

38 Ebd., S. 35; siehe auch Michel Foucault, Surveiller et punir: Naissance de la prison,<br />

Paris 1975.<br />

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