Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Hans-Joachim Wenzel<br />
Pull- und Gravitationstheorien/-modelle ebenso wie verhaltenstheoretische<br />
Theorieansätze, solche des dualen Arbeitsmarktes oder die neoklassische<br />
Theorie der Lohndifferentiale. <strong>42</strong> Alle diese Theorieansätze erheben den Anspruch,<br />
dass sie, von unterschiedlichen Basisannahmen ausgehend, Art und<br />
Umfang der Migrationsströme erklären können. In allen grundlegenden<br />
Lehrwerken zur Bevölkerungsgeographie nehmen sie entsprechend breiten<br />
Raum ein. 43 Ihr ohnehin eingeschränkter Erkenntniswert verringert sich im<br />
Zeichen der Globalisierung unübersehbar, da sich die Unterschiede zwischen<br />
traditionellen Migrationstypen immer weiter ›verflüssigen‹ und neue Migrationsformen<br />
und Migrationssysteme hinzutreten. In neuerer Zeit geht es<br />
mehr um die Bedingungen der Entstehung und Verstetigung plurilokaler<br />
und transnationaler Migrationsbewegungen und um die von ihnen ausgehenden<br />
bzw. sie bedingenden sozialen und sozialräumlichen Strukturbildungs-<br />
und Strukturwandlungsprozesse. Dabei konzentriert sich die Migrationsforschung<br />
auf die Phänomene des sozialen Strukturwandels, im Kern<br />
also »auf Probleme der sozialen Integration und Ungleichheit und auf daraus<br />
resultierende Konfliktpotentiale«. 44 In diesem Sinne betont Michael Bommes,<br />
dass ein Bezugsrahmen einer Theorie der Migration in der modernen Gesellschaft<br />
ausgearbeitet werden sollte, »indem transnationale Migrationen und<br />
die damit verbundenen Strukturfolgen, die als Netzwerke und ›transnationale<br />
Räume‹ gefasst werden, als regional- und kontextspezifische Strukturbildungen<br />
in der funktional differenzierten Weltgesellschaft erfasst und in<br />
ihrer Variationsbreite angemessen beschrieben und erklärt werden können«.<br />
45<br />
Moderne Migrationsforschung zielt also auf die Analyse der jeweiligen<br />
gesellschaftlich strukturierenden Funktionen von Wanderungen. Zugleich<br />
wird sie – quasi nach dem Wechselwirkungsprinzip – von herrschenden formalen,<br />
aber auch informellen gesellschaftlichen Regeln und ihren zugrundeliegenden<br />
Wertesystemen beeinflusst. Weltweit wächst die Bedeutung intranationaler/translokaler<br />
und transnationaler Wanderungsformen und in ih-<br />
<strong>42</strong> Siehe dazu den grundlegenden Überblick in Massey u.a., Theories of International<br />
Migration.<br />
43 Jürgen Bähr/Christoph Jensch/Wolfgang Kuls, Bevölkerungsgeographie (Lehrbuch<br />
der Allgemeinen Geographie, Bd. 9), Berlin/New York 1992; Wolfgang Kuls/Franz-<br />
Josef Kemper, Bevölkerungsgeographie (Teubner Studienbücher der Geographie),<br />
Stuttgart/Leipzig 2000.<br />
44 Michael Bommes, Migration in der modernen Gesellschaft, in: Geographische Revue,<br />
5. 2003, H. 2, S. 41–58, hier S. 41.<br />
45 Ders., Migration, Raum und Netzwerke. Über den Bedarf einer gesellschaftstheoretischen<br />
Einbettung der transnationalen Migrationsforschung, in: Jochen Oltmer (Hg.),<br />
Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (<strong>IMIS</strong>-Schriften, Bd. 11), <strong>Osnabrück</strong><br />
2002, S. 91–106, hier S. 104.<br />
54