Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Julia Verne und Martin Doevenspeck<br />
und Migrationsforscher/innen nähmen diese optimistischere Haltung vor<br />
allem deshalb ein, weil sie den aktuellen politischen Diskursen entspricht. 1<strong>42</strong><br />
So sieht auch de Haas143 die bedeutende Rolle, die Migranten hier zugeschrieben<br />
bekommen, vor allem eingebettet in einen allgemeinen Paradigmenwechsel<br />
von dependenz- und staatszentrierten hin zu neoklassischen<br />
und neoliberalen, eng an Politikberatung orientierten Forschungsansätzen:<br />
»In migration studies, the topics of investigation, the research questions and even<br />
the findings have frequently been driven by political consideration, connected with<br />
the need to form and implement policies, and to legitimise them in the eyes of an<br />
often hostile public«. 144<br />
Statt Mobilität holistisch zu verstehen145 und dabei nicht nur die praktische<br />
und diskursive Herstellung von Mobilität zu berücksichtigen, sondern Mobilität<br />
auch als eine alltägliche Erfahrung zu begreifen, wird Mobilitätsforschung<br />
in Afrika vor allem als Migrationsforschung mit sedentaristischem<br />
bias betrieben. Dabei dominiert eine klar verwaltungspolitisch geprägte Perspektive.<br />
»Es ist das vitale Interesse jedes Staates, nicht nur das Nomadentum zu besiegen,<br />
sondern auch die Migrationen zu kontrollieren und ganz allgemein einen Rechtsbereich<br />
gegenüber einem ›Außen‹ geltend zu machen, gegenüber der Gesamtheit<br />
von Strömen, die die Ökumene durchqueren«. 146<br />
Der Blick in die Veröffentlichungen zu Migration und Entwicklung zeigt,<br />
dass viele Arbeiten genau durch diese Perspektive von Staat und Verwaltung<br />
gekennzeichnet sind. Allein die Literaturverzeichnisse der Publikationen zeigen,<br />
wie eng Wissenschaft in diesem Themenfeld mit Politik verschränkt ist.<br />
Eine Metaperspektive auf diese politischen Debatten um Mobilität und Migration<br />
wird hingegen nur selten eingenommen.<br />
Tut man dies jedoch, wird schnell die Ungleichheit deutlich, mit der<br />
Mobilität in unterschiedlichen Regionen bewertet wird. Es stellt sich die Frage,<br />
warum die Mobilität der einen gefeiert und als Ausdruck von Wohlstand<br />
und Freiheit verstanden wird, während die der ›Anderen‹ als Ausdruck von<br />
Mangel und Unordnung und in ihren Folgen als problembehaftet diskutiert<br />
wird. In dieser Hinsicht hat Turner147 darauf hingewiesen, dass, im Widerspruch<br />
zum angeblichen ›Mobilitätsrummel‹, durch Eindämmungs- und<br />
1<strong>42</strong> Castles, Development and Migration, S. 14.<br />
143 De Haas, Development and Migration, S. 1.<br />
144 Castles, Development and Migration, S. 8.<br />
145 Cresswel, Understanding Mobility Holistically, S. 129–1<strong>42</strong>.<br />
146 Gilles Deleuze/Felix Guattari, Kapitalismus und Schizophrenie,Berlin 1992, S. 532.<br />
147 Bryan S. Turner, The Enclave Society: Towards a Sociology of Immobility, in: European<br />
Journal of Social Theory, 10. 2007, S. 287–304.<br />
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