Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Migration in der Geographischen Entwicklungsforschung<br />
der die individuelle bzw. soziale Verwundbarkeit im Kontext regionaler Sozialkrisen<br />
und übergeordneter Gesellschaftskrisen gesehen wird. Es gilt dabei<br />
den wechselseitigen Zusammenhang von individuellem/sozialem Handeln<br />
und gesellschaftlichen Veränderungsprozessen zu verdeutlichen. Schwierig<br />
gestaltet sich in der Regel der Einbezug politisch-ökonomischer Abhängigkeiten<br />
und Machtkonstellationen, die nicht nur als Randbedingungen, sondern<br />
als strukturierende Kategorien zu verstehen sind.<br />
Wodurch zeichnet sich nun speziell die geographische Entwicklungsforschung<br />
aus (unbeschadet von der Tatsache, dass viele ›geographische‹ Beiträge<br />
Disziplingrenzen nicht erkennen lassen)? Sie stellt den Raumbezug zentral,<br />
allerdings nicht an die Stelle eines zu ersetzenden Gesellschaftsbegriffes,<br />
sondern als Kategorie sozialer Strukturbildungen. Verwundbarkeit z.B. kann<br />
demgemäß nicht räumlich erklärt werden.<br />
»Für Geographische Entwicklungsforschung ist Raum nicht nur eine Arena von<br />
ökologischen und gesellschaftlichen Prozessen, Raum ist darüber hinaus in vielerlei<br />
Hinsicht auch das soziale und politische Werkzeug von Transformationen. Dabei<br />
ist Raum nicht in erster Linie ›an sich‹ bedeutsam, sondern als Produkt von<br />
Beziehungen und Interaktionen, als Quelle [Registrierplatte? H.-J.W.] von<br />
sozialen Fragmentierungen und Pluralitäten, und gleichzeitig als ein Konstrukt,<br />
das heißt als ein sozial, kulturell und ökologisch belegter, instrumentalisierter,<br />
interpretierter und imaginierter Raum«. 33<br />
Es ist allgemein bekannt, dass Globalisierungsprozesse sehr heterogene und<br />
widersprüchliche Entwicklungsimpulse auslösen können mit sich verschärfenden<br />
sozialen und räumlichen Gegensätzen. Auf der einen Seite beobachten<br />
wir desintegrierende, fragmentierende Prozesse mit Entgrenzung und<br />
Marginalisierung und auf der anderen Machtzuwachs und zunehmendes<br />
Gewicht von Metropolen, die quasi als Verstärker politischer, ökonomischer<br />
und kultureller Globalisierungsprozesse agieren. Die alte Einteilung in Industrie-<br />
und Entwicklungsländer wird zunehmend obsolet. Es entstehen<br />
überall in kleinräumigem Maßstab Gegensätze marginalisierter versus statushoher<br />
und wohlsituierter Lebensverhältnisse. »An dem globalen Wettbewerb<br />
und seinen nachweisbaren Segnungen partizipieren nicht Länder/Staaten<br />
an sich und nicht deren Bevölkerung als Ganze, sondern nur bestimmte<br />
Orte/Zonen/Regionen und in diesen auch nur einzelne Teile der Bevölkerung«<br />
34 ; es entsteht eine Welt ›in Bruchstücken‹. Die transnationalen Austauschverhältnisse<br />
und Beziehungen gehen zugleich einher mit einem Einflussverlust<br />
vor allem ökonomisch schwacher Nationalstaaten. Auf der anderen<br />
Seite sind die Industrieländer trotz aller Hinweise auf einen angeblichen<br />
Kontrollverlust auch weiterhin sehr wohl in der Lage, Migrationsprozesse zu<br />
33 Ebd., S. 813.<br />
34 Scholz, Geographische Entwicklungsforschung, S. 215–227.<br />
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