Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Martin Geiger und Malte Steinbrink<br />
Existenzsicherung größere Berücksichtigung finden. 87 Das bedeutet: Die<br />
Netzwerkperspektive verknüpft die Migrationsforschung mit der Entwicklungsforschung<br />
auch konzeptionell. Translokalität der Existenzsicherung stellt<br />
als Idee einerseits einen aus der Entwicklungsforschung stammenden migrationswissenschaftlichen<br />
Ansatz dar, der Wanderungen und grenzüberspannende<br />
Netzwerke aus den Erfordernissen der Existenzsicherung im Kontext<br />
von Risiko und Unsicherheit zu erklären versucht. Andererseits erfährt die<br />
Livelihood-Forschung durch diese Idee eine konzeptionelle Erweiterung,<br />
darauf abzielend, die containerräumliche Befangenheit entwicklungsgeographischer<br />
Perspektiven zu überwinden. Das Konzept bietet somit eine handlungsorientierte<br />
Möglichkeit, verschiedene raum- bzw. grenzübergreifende<br />
Formen ökonomischer, migratorischer und sozialer Interaktionen in ihrer<br />
Bedeutung für entwicklungsbezogene Fragestellungen zu analysieren. 88<br />
3.2 Impulse aus der sozialwissenschaftlichen Raumdiskussion<br />
Ganz andere Möglichkeiten, mit dem Problem der ›räumlichen Denkfalle‹<br />
(siehe oben) umzugehen, ergeben sich aus einem grundsätzlichen Hinterfragen<br />
konventioneller Raumverständnisse im Zuge des sogenannten spatial<br />
turns: Die maßgeblichen Denkanstöße kamen aus den französischen Geistesund<br />
Sozialwissenschaften89 und erreichten in den 1990er Jahren – nach<br />
einem Umweg über die anglo-amerikanische Geographie90 – schließlich auch<br />
die deutschsprachige Sozialgeographie. 91 Zusätzlich eröffnen der von<br />
87 Vgl. u.a. Lohnert/Steinbrink, Rural and Urban Livelihoods; Norman Long, Translocal<br />
Livelihoods, Networks of Family and Community, and Remittances in Central<br />
Peru, in: Josh DeWind/Jennifer Holdaway (Hg.), Migration and Development<br />
within and Across Borders: Research and Policy Perspectives on Internal and International<br />
Migration, Genf/New York 2008, S. 39–70; Martin Doevenspeck, Migration<br />
im ländlichen Benin. Sozialgeographische Untersuchungen an einer afrikanischen<br />
Frontier, Saarbrücken 2005; Susan Thieme, Sustaining Livelihoods in Multilocal Settings:<br />
Possible Theoretical Linkages between Livelihoods and Transnational Migration<br />
Research, in: Mobilities, 3. 2008, S. 51–71; Steinbrink, Leben zwischen Land und<br />
Stadt; Clemens Greiner, Patterns of Translocality: Migration, Livelihoods and Identities<br />
in Northwest Namibia, in: Sociologus, 60. 2010, S. 131–161. Siehe zudem Ulrike<br />
Freitag/Achim von Oppen (Hg.), Translocality. The Study of Globalising Processes<br />
from a Southern Perspective, Leiden 2010.<br />
88 Vgl. auch den Beitrag von Malte Steinbrink in diesem <strong>Heft</strong>.<br />
89 Vgl. beispielsweise Manuel Castells, La Questione Urbaine, Paris 1972; Henri Lefebvre,<br />
La Production de L’Espace, Paris 1974; Michel Foucault, Des Espaces Autres.<br />
Hétérotopies (1967), in: Architecture, Mouvement, Continuité, 5. 1984, S. 46–49.<br />
90 Siehe dazu u.a. Doreen Massey/John Allen (Hg.), Geography Matters! A Reader,<br />
Cambridge, MA 1984.<br />
91 Im Hinblick auf die neuere deutschsprachige Sozialgeographie und die entscheidenden<br />
Impulse aus der anglo-amerikanischen Radical Geography siehe u.a. Bernd Belina/Boris<br />
Michel (Hg.), Raumproduktionen. Beiträge der Radical Geography. Eine<br />
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