Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Malte Steinbrink<br />
A1: I can treat him like he is unfair, or she is unfair, you see. Because he is<br />
supposed to inform us before. He is supposed to tell us before. (…) He should tell<br />
the others, a week before or a few days before. So that everybody has the chance to<br />
prepare the parcel or to buy other things, they want to give him to bring home.«<br />
(Interview mit N. und P.)<br />
Es wird deutlich, dass die Abakhaya-Group eine zentrale Rolle für die Austausch-<br />
und Kommunikationszusammenhänge innerhalb der translokalen<br />
Haushalte spielt. Sie bildet gewissermaßen die informelle soziale Infrastruktur,<br />
die den engen Kontakt und das Interaktionsgefüge und damit die Funktion<br />
der translokalen Livelihood-Systeme deutlich erleichtert.<br />
Die Abakhaya-Group verstärkt und stabilisiert die Translokalität<br />
Für die Migranten aus Nomhala steht ihre gemeinsame Herkunft im Mittelpunkt<br />
der sozialen Konstruktion einer kollektiven Identität. Der Raum dient<br />
hier als Medium der Kommunikation, mittels dessen soziale Beziehungen<br />
aufgebaut und stabilisiert werden. Nomhala wird dabei zur quasi-räumlichen<br />
Verankerung gemeinsamer Werte und Weltbilder. Als idealisierter<br />
›Heimatraum‹ ist das Dorf im Umfeld der städtischen Untersuchungsgruppe<br />
immer auch eine Projektionsfläche, ein imaginierter Ort und ein mnemetischer<br />
Orientierungspunkt; es fungiert als Referenz für Traditionalisierung.<br />
Mit Traditionalisierung ist der soziale Prozess der Schaffung einer historischen<br />
Kontinuität zwischen Gruppenidentität und ›Raum‹ über ein Repertoire<br />
aus Mythen, Ritualen, Rechtstraditionen und Symbolen gemeint.<br />
Diese »Mythomoteure« 37 wirken, indem sie die Gruppe zusammenhalten, sozialen<br />
Sinn generieren und Dauerhaftigkeit suggerieren. Tatsächlich fungiert<br />
Nomhala im sozialen Zusammenhang der Untersuchungsgruppe in Site 5 als<br />
Sammelbegriff für eine ganze Reihe von Vorstellungen. Die ›Heimat‹, aber<br />
auch der ländliche Raum allgemein werden im Namen von Tradition und<br />
kultureller Werte zum symbolischen Träger kollektiver Normvorstellungen.<br />
Diese Bezugspunkte schaffen Identität und fundieren ein spezifisches kollektives<br />
Ethos, an welches wiederum ganz bestimmte Rollenerwartungen sowie<br />
klare moralische Verpflichtungen – wie die Solidarität und die Norm des<br />
Teilens (s.o.) – geknüpft sind.<br />
Demnach ist der ›Heimatbezug‹ gewissermaßen konstituierend für den<br />
Abakhaya-Ethos; denn er symbolisiert gleichzeitig die Orientierung des Migranten<br />
hin auf die ›guten, wahren und richtigen‹ Werte. Eine soziale und<br />
emotionale Abkehr des Einzelnen von der ›Heimat‹ wird dagegen meist mit<br />
einem Abweichen vom moralisch richtigen Lebensweg gleichgesetzt, der<br />
37 Anthony D. Smith, National Identity and Myths of Ethnic Descent, in: Louis Kriesberg<br />
(Hg.), Research in Social Movements, Conflict and Change, London 1984, S. 95–<br />
130.<br />
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