Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Benjamin Etzold und Patrick Sakdapolrak<br />
Die Verwundbarkeit der irregulären Migranten aus Afrika ist das Ergebnis<br />
eines zentralen gesellschaftspolitischen Widerspruchs unserer Zeit:<br />
Einerseits wird von Arbeitnehmern die Flexibilität und Mobilität verlangt,<br />
die ökonomischen Chancen dort zu nutzen, wo diese vorzufinden sind. Es<br />
wird also eine Anpassungsleistung an die Bedürfnisse der globalisierten<br />
Wirtschaft gefordert. Andererseits stoßen nichterwünschte Arbeitsmigranten<br />
auf nationalstaatliche Grenzen und politische Hürden. Ihre Mobilitätsbereitschaft<br />
wird mit teils menschenunwürdigen Maßnahmen bekämpft. 113 Dieser<br />
Widerspruch – ökonomische Inklusion einerseits, aber politische Exklusion<br />
andererseits – bildet die Grundlage des »Kontrolldilemmas« 114 der europäischen<br />
Nationalstaaten. Trotz verschärfter Gesetzgebung und ›verbesserter‹<br />
Managementstrategien existieren unregulierte Migrationsströme weiterhin<br />
und unvermindert. Die extreme Verwundbarkeit von illegalisierten Migranten<br />
im Zwischenraum ist somit keine zufällige humanitäre Tragödie, sondern<br />
ein strukturelles Produkt der europäischen Asyl- und Migrationspolitik in<br />
einer neoliberalen Weltwirtschaft. 115<br />
4 Fazit: internationale Arbeitsmigration<br />
aus der Perspektive der Verwundbarkeitsforschung<br />
Konzepte der geographischen Entwicklungsforschung und der geographische<br />
Migrationsforschung weisen zahlreiche Schnittstellen auf. Und das gilt<br />
nicht nur bei der Analyse von Ursachen und Wirkungen von Arbeitsmigration<br />
aus den Ländern des Südens im Sinne einer ›klassischen‹ geographischen<br />
Forschung in Entwicklungsländern, sondern auch durch eine Verschiebung<br />
des Forschungsfokus auf die Zwischen- und Zielräume der Migration sowie<br />
auf die vielfältigen Verflechtungen zwischen diesen Räumen.<br />
Aus der Perspektive der geographischen Verwundbarkeitsforschung<br />
stellt Arbeitsmigration eine bedeutende Strategie der translokalen Lebenssicherung<br />
dar, welche allerdings nicht ausschließlich aus der Sicht der Akteure<br />
und ihren Fähigkeiten erklärt werden kann, sondern – wie beide Fallbeispiele<br />
gezeigt haben – immer in spezifische strukturelle Rahmenbedingungen eingebettet<br />
ist. Die individuellen Handlungen zahlreicher Akteure – nicht nur<br />
der Migranten und ihrer Familien, sondern auch der Arbeitgeber, Schlepper<br />
und Migrationsunternehmer sowie der Grenzschützer und Politiker – erschaffen<br />
wiederum erst die für die Migration relevanten Strukturen und Pro-<br />
113 Vgl. van Buuren, Die Europäische Union, S. 15; Bommes, Illegale Migration, S. 98f.<br />
114 Guiraudon/Joppke, Controlling a New Migration World, S. 8.<br />
115 Vgl. ebd., S. 20; Michael Samers, An Emerging Geopolitics of ›Illegal‹ Immigration in<br />
the European Union, in: European Journal of Migration and Law, 6. 2004, S. 27–45,<br />
hier S. 29; Schierup u.a., Migration and the Welfare State, S. 261; Etzold, Illegalisierte<br />
Migration, S. 144–146.<br />
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