Heft 42 - IMIS - Universität Osnabrück
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Martin Geiger und Malte Steinbrink<br />
Verhinderung). Fazit: Entwicklungspolitik wird der Migrationspolitik untergeordnet;<br />
sie wird zu einem Element eines Migrationsmanagements neoliberal-utilitaristischer<br />
Prägung. 38<br />
2 Migration und Entwicklung: ein neues Thema für die<br />
deutschsprachige Geographie?<br />
Vor dem Hintergrund der skizzierten politischen Rationalitäten erklärt sich<br />
auch, warum seit einigen Jahren so viele Wissenschaftler zu Migration und<br />
Entwicklung forschen. Dem Thema wird eine hohe gesellschaftliche Relevanz<br />
beigemessen, sprich, die Drittmitteltöpfe sind mit diesem Themenfeld im<br />
Gepäck vermutlich relativ leicht anzuzapfen. Aber ist das Thema für die<br />
Wissenschaft tatsächlich so neu, wie es die politische Debatte vermuten lässt?<br />
Recherchiert man indes nach Monographien, Sammelbandbeiträgen<br />
und Zeitschriftenaufsätzen, die seit Ende des 19. Jahrhunderts in der deutschsprachigen<br />
Geographie zum Thema Migration entstanden, scheint das keineswegs<br />
der Fall zu sein. Zunächst fällt auf, dass sich die meisten Forschungsaktivitäten<br />
nicht auf den ›heimischen‹ Kontext bezogen. Stattdessen konzentrierten<br />
sich die Arbeiten auf Gebiete außerhalb Europas. So lag der Fokus<br />
schon an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auf jenen Weltgegenden,<br />
die dann nach dem Zweiten Weltkrieg von den westlichen Industrienationen<br />
mit dem Label ›Unterentwicklung‹ 39 versehen und zum Gegenstand bzw.<br />
Untersuchungsraum der geographischen Entwicklungs(länder)forschung wurden:<br />
Zur Zeit der Kolonialgeographie (ca. 1871–1933) sowie der Geopolitik<br />
während des Nationalsozialismus (1933–1945) waren Wanderungsphänomene<br />
in fernen Gefilden tatsächlich das Schwerpunktthema migrationsbezogener<br />
Forschung deutscher Geographen. Ihre Aufmerksamkeit galt<br />
dabei hauptsächlich Prozessen der Binnenmigration; internationale, insbesondere<br />
interkontinentale Wanderungen wurden hingegen kaum untersucht.<br />
Beschrieben wurden Nomadismus, Landflucht, politisch bedingte Flucht,<br />
38 Vgl. Georgi, For the Benefit of Some; Sara Kalm, Liberalizing Movements? The Political<br />
Rationality of Global Migration Management, in: Geiger/Pécoud (Hg.), The<br />
Politics of International Migration Management, S. 21–44; Henk Overbeek, Globalization<br />
and Governance. Contradictions of Neo-Liberal Migration Management<br />
(HWWA-Discussion Paper 174), Hamburg 2002.<br />
39 Der Begriff der Unterentwicklung wurde im Nachklang der Regierungserklärung<br />
von Präsident Truman vor dem amerikanischen Kongress am 20. Januar 1949 in die<br />
politische Debatte eingeführt. Diese Rede gilt als Startschuss für die Entwicklungspolitik<br />
und Entwicklungsländerforschung. Zur kritischen Auseinandersetzung mit<br />
dem Entwicklungsbegriff und der ›Entwicklungshilfe‹ als geopolitischem Instrument<br />
siehe Gustavo Esteva, Entwicklung, in: Wolfgang Sachs (Hg.), Wie im Westen so auf<br />
Erden. Ein polemisches Handbuch zur Entwicklungspolitik, Reinbek 1993, S. 89–121.<br />
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