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Amtsmißbrauch - Oapen

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324 B. Unterschiedliche Entwicklung des Strafrechts<br />

stechen lassen kann, so kann er ebenfalls jede seiner Entscheidungen aus Gunst<br />

oder Mißgunst fällen. Zudem ließe sich die Bezeichnung „Parteien“ dadurch<br />

erklären, daß der Richter zwischen zwei Parteien entscheiden muß und für ihn<br />

und den Verwaltungsbeamten keine unterschiedlichen Zuordnungen verwendet<br />

werden sollten, um die Norm nicht zu verkomplizieren. Demnach wäre aus der<br />

Formulierung nicht notwendig das Erfordernis einer Rechtssache zu folgern. 101<br />

Insbesondere spricht die schlichte Benennung des „Verwaltungsbeamten“ neben<br />

dem „Richter“ für ein allgemeines Amtsdelikt. Hätte der Gesetzgeber nur die<br />

Rechtsbeugung (nach deutschem Verständnis) anvisieren wollen, wäre ein Zusatz<br />

wie in § 339 StGB unumgänglich gewesen. Die Tat hätte dann auf die Fälle<br />

bei Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache beschränkt werden müssen.<br />

Es wäre in Anbetracht der Tatsache erforderlich gewesen, daß der Abschnitt mit<br />

Korruption und nicht mit Rechtsbeugung überschrieben ist.<br />

Aus diesen Gründen handelt es sich bei Art. 183 code pénal um einen allgemeinen<br />

<strong>Amtsmißbrauch</strong>statbestand. Die ungewöhnliche Stellung innerhalb des<br />

Abschnitts über die Korruption, obwohl die ihr eigene korrumpierende Interaktion<br />

fehlt, mag einerseits unbewußt aufgrund der Einteilung des folgenden<br />

Abschnitts über den <strong>Amtsmißbrauch</strong> erfolgt sein. So hatte der französische<br />

Gesetzgeber von 1810 die expliziten Amtsmißbräuche in solche gegen die Individuen<br />

und solche gegen den Staat gegliedert. Weil aber ein <strong>Amtsmißbrauch</strong> des<br />

Art. 183 code pénal sowohl dem Bürger als auch dem Staat schaden kann, wäre<br />

es ohnehin nicht möglich gewesen, die Bestimmung nur einer Untergliederung<br />

zuzuweisen. Andererseits wurde bei der Beratung des Gesetzes die Bestimmung<br />

insbesondere im Zusammenhang mit der richterlichen Rechtsbeugung<br />

und nicht als <strong>Amtsmißbrauch</strong> diskutiert. 102 Von diesem Ausgangspunkt her ist<br />

die Einordnung in diesen Abschnitt verständlich.<br />

Eine Bestätigung einer solchen Interpretation der Norm könnte in Bestimmungen<br />

späterer Strafgesetze gesehen werden, die auf Art. 183 code pénal<br />

zurückgehen. 103 So hat der sardische Gesetzgeber von 1839 und von 1859 bei<br />

101 Zugegeben bleibt die Verwenung der Bezeichnung „Parteien“ verwirrend. Der Ausdruck<br />

„Bürger“ hätte diese Unsicherheit vermieden.<br />

102 Siehe die Diskussion im Conseil d’État am 09.01.1810, abgedruckt bei Nypels, Le Droit<br />

Pénal Français, S. 146. In den motifs von Berlier, Nr. 20-21, und Noailles, Nr. 15, wird<br />

die Vorschrift nicht gesondert erwähnt, siehe bei Nypels, a.a.O., S. 194, 204 f.<br />

103 Dieser Argumentation wird möglicherweise zweierlei entgegenhalten werden: Entweder,<br />

daß es sich bei den Nachfolgebestimmungen um Weiterentwicklungen der französischen<br />

Norm handelt, die selbst noch keinen allgemeinen <strong>Amtsmißbrauch</strong> darstellte; oder, daß<br />

die fraglichen Artikel aus den sardischen Strafgesetzbüchern selbst keinen unbenannten<br />

<strong>Amtsmißbrauch</strong> umschreiben. Dazu siehe unten B.III.2.f)aa), S. 332. Zu ersterem bleibt zu<br />

sagen, daß zwar Stellung und Wortwahl der Norm gegen einen <strong>Amtsmißbrauch</strong>statbestand<br />

sprechen, aber der Inhalt der Bestimmung dafür, was letztlich entscheidend ist. Für die<br />

Systematik gibt es zumindest den eben genannten Erklärungsansatz.

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