Fester Grund christlicher Lehre. Ein Hilfsbuch zum ... - Licht und Recht
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Zweiter Teil.<br />
Beilagen des Herausgebers.<br />
I. Über Frage 4 <strong>und</strong> 5 des Heidelberger Katechismus.<br />
(Zu Seite 11.)<br />
Der k<strong>und</strong>ige Leser wird an vielen Stellen des „Festen <strong>Gr<strong>und</strong></strong>es“ wahrnehmen können, daß, Olevian<br />
sich gern der Worte des Heidelberger Katechismus bedient. Das bringt schon der Zweck des<br />
Buches mit sich. So wird denn auch die Sündhaftigkeit des Menschen hier mit denselben Ausdrücken<br />
dargestellt, in welche sie von dem berühmten, so allgemein anerkannten Bekenntnis- <strong>und</strong><br />
Lehrbuche der reformierten Kirche gefaßt wird. Wir meinen die fünfte Frage des Katechismus, von<br />
deren Erörterung die vierte unmöglich getrennt werden kann. Sie sind übrigens auch Leidensgefährten,<br />
welche von den verschiedensten Seiten Anfechtungen ausgesetzt sind. Sehen wir uns deswegen<br />
beide etwas näher an.<br />
Es ist eine bekannte Sache, daß die Katechismen der reformierten <strong>und</strong> lutherischen Kirche in<br />
Deutschland schon darin nicht unbedeutend von einander abweichen, daß sie das Gesetz Gottes in<br />
verschiedener Weise verwenden. Zunächst ist es eine alte Klage der Reformierten, daß der lutherische<br />
Katechismus die Zehn Gebote nicht wie die Bibel zählt <strong>und</strong> teilt, sondern wie die dem Bilderdienst<br />
ergebene römische Kirche, das zweite Gebot Gottes gegen jeglichen Gebrauch der Bilder im<br />
Gottesdienst ausläßt <strong>und</strong> das zehnte Gebot wieder unbefugter Weise in zwei Teile teilt. Weiterhin<br />
führt der Heidelberger das Gesetz nach seiner ganzen Breite erst da vor, wo das dankbare Leben der<br />
Wiedergeborenen dargestellt wird. Zur Weckung der Sündenerkenntnis dagegen hält er es für weit<br />
angemessener, nicht wie Luther die Reihe der Zehn Gebote, welche doch nicht einmal überall, am<br />
Wenigsten im neunten <strong>und</strong> zehnten Gebote, nach ihrer ganzen Tiefe ausgelegt werden – sondern<br />
nach dem Vorbilde Christi die Summe 524 des Gesetzes (Matth. 22,37-40) vorzuführen. Dadurch wird<br />
eine konzentriertere Wirkung hervorgebracht <strong>und</strong> dem sündigen Menschen nicht vorzugsweise das<br />
Böse was er meiden soll, wie vorwiegend die Zehn Gebote tun, sondern das volle, göttliche Bild des<br />
gottgefälligen Lebens, Denkens <strong>und</strong> Trachtens nach seiner tiefsten Wurzel vorgestellt. Auch wird so<br />
nicht bloß die Sünde, sondern das ganze Elend des natürlichen Menschen aufgedeckt <strong>und</strong> nicht so<br />
leicht beschleicht den natürlichen Menschen die Täuschung der pharisäischen Werkgerechtigkeit,<br />
die Zehn Gebote halte er. Auf die mit großem Bedacht so gefaßte vierte Frage läßt unser Katechismus<br />
seine bekannte Schilderung des sündhaften Zustandes, in welchem wir uns jetzt Alle von Natur<br />
befinden, folgen. Auf die Frage: Kannst du dies (Matth. 22) alles vollkömmlich halten? antwortet<br />
er: Nein, denn ich bin von Natur geneigt, Gott <strong>und</strong> meinen Nächsten zu hassen. Es darf nicht wun-<br />
524 Manche der neuern Katecheten scheinen kein Verständnis mehr für diesen Vorzug des Heidelberger Katechismus<br />
zu haben. Das wäre den herrlichen Theologen Olevian <strong>und</strong> Ursinus eine mehr als leichte Sache gewesen, in der<br />
Weise des kleinen lutherischen Katechismus, der mehr Baustoffe als einen Bau gibt, wie Nitzsch in seiner praktischen<br />
Theologie sehr richtig bemerkt, die traditionellen Hauptstücke unvermittelt nebeneinander zu stellen. Sie<br />
wollten aber Höheres leisten <strong>und</strong> ein organisches Ganze <strong>christlicher</strong> <strong>Lehre</strong> liefern. <strong>Ein</strong>e ganz ausgezeichnete Arbeit<br />
ist ihnen gelungen. Jeder Unbefangene, wie er auch sonst <strong>zum</strong> Inhalte des Heidelberger stehe, wird das zugeben.<br />
Was nun speziell Frage 4 betrifft, so ist es hier unmöglich, weiter in sie einzugehen. Die apologetischen Andeutungen<br />
im Texte mögen einstweilen genügen. Nur noch eine Stelle des Coccejus möchte ich Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Feinden unseres<br />
reformierten Katechismus zu bedenken geben. Dieser berühmte Gottesgelehrte sagt über die in Rede stehende<br />
Frage: Cum ponenda hic esset quaedam εἰκον sanetitatis in lege requisitae, optimo consilio Catechesis non posuit<br />
Decalogum, qui a Deo sic conceptus est, ut potius recessionem a malo, quam bonum, quod in homine debet esse et<br />
ad justitiam ejus requiritur, expriniat: sed duo maxima praecepta a Christo indicata, Matth. 27,37-40, de quibus<br />
Christus dicit quod ab ipsis tota lex & Prophetae pendeant. Opp. tom. VI. p. 5.