Fester Grund christlicher Lehre. Ein Hilfsbuch zum ... - Licht und Recht
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IX. Von der Amtsordnung in der Kirche des neuen Testamentes.<br />
(Zu Seite 81.)<br />
I. Die Quelle <strong>und</strong> das <strong>Gr<strong>und</strong></strong>prinzip aller kirchlichen Ordnung, welche den neutestamentlichen<br />
Charakter nicht verleugnen will, ist Christus das einzige Haupt seiner Kirche. Er ist der allgenugsame,<br />
einzige Herr aller Macht <strong>und</strong> aller Gnaden. Sein Geist muß unter allen Umständen als der einzige,<br />
unmittelbare Gnadenspender anerkannt bleiben. Sein Wort ist die f<strong>und</strong>amentale Norm für jede<br />
kirchliche Amtsordnung <strong>und</strong> für jede Entwickelung, derselben. Dadurch ist die heutzutage so beliebte<br />
Verfassungsmacherei aus heiler Haut <strong>und</strong> nach weltlichen, politischen Launen <strong>und</strong> Mustern<br />
ebenso sehr verworfen, wie alles priesterliche Wesen aus der neutestamentlichen Kirche verbannt<br />
wird. Niemand denke, er sei der Vermittler oder Kanal der Gnade Christi, Niemand denke von seinem<br />
Kirchenamte anders, denn daß es ein Dienst sei, nicht aber eine Herrschaft. Luk. 22,25.26; 1.<br />
Petr. 5,3. Nennen doch selbst die Apostel ihr Amt eine διακονία. Apg. 6,4.<br />
Wie alle Apostel unter einander gleich waren, so sind auch die Hirten unter einander gleich,<br />
nach göttlichem <strong>Recht</strong>. Matth. 28,19; Joh. 20,21-23; Apg. 2,1-4. Sehr richtig ist darum die Anschauung<br />
der wichtigsten reformierten Bekenntnisse, welche mit der Konfession der Kirchen Frankreichs<br />
einmütig lehren: „Wir glauben, daß alle wahren Pfarrer – dasselbe Ansehen <strong>und</strong> gleiche Macht haben<br />
unter einem alleinigen Oberhaupte, einem alleinigen Herrn <strong>und</strong> alleinigen obersten Bischof<br />
Jesu Christo.“ 587 <strong>Ein</strong> Blick in das Leben der Apostel zeigt uns, daß sie von einer hierarchischen Unter-<br />
<strong>und</strong> Überordnung gar nichts wissen. Sie stellen ein Kollegium gleich hochgestellter, zu demselben<br />
Dienst verordneter, in Brudergesinnung vereinigter Menschen dar. Darum wird Paulus Apg. 5,2<br />
nicht etwa an den Petrus gesandt, sondern an die Apostel <strong>und</strong> Ältesten der Jerusalemischen Gemeinde.<br />
Daß Petrus nicht das Oberhaupt der Übrigen war, zeigt unwiderleglich der Umstand, daß er vom<br />
Apostelkollegium nach Samaria gesandt wird. Apg. 8,4. Wäre Petrus gewesen, wofür die Hierarchen<br />
ihn ausgeben, so würde er auf der Kirchenversammlung zu Jerusalem eine ganz andere Stellung<br />
eingenommen haben, als das wirklich der Fall ist. Wohl redete er; aber haben nicht ebenso <strong>und</strong><br />
mit demselben Ansehen Paulus <strong>und</strong> Barnabas geredet? Mit der meisten Auktorität redet indes offenbar<br />
Jakobus, wenn wir einen Unterschied zwischen den verschiedenen Sprechern machen wollen,<br />
wie es auch seine Ansicht ist <strong>und</strong> nicht die des Petrus, welche angenommen wird. Die Form jedoch,<br />
in welcher der Beschluß gefaßt <strong>und</strong> proklamiert wird, zeigt deutlich, daß keiner der Beamteten eine<br />
kirchliche Herrschaft oder einen Vorzug vor den Übrigen hatte. „Es däuchte gut“, heißt es, „die<br />
Apostel <strong>und</strong> Ältesten, samt der Gemeinde;“ <strong>und</strong> gleich darauf beginnt der Erlaß der Versammlung<br />
mit den Worten: „Wir, die Apostel <strong>und</strong> Ältesten <strong>und</strong> Brüder (d. h. Gemeindeglieder) wünschen Freude<br />
zuvor“ usw.<br />
Auf dasselbe Resultat sichren uns auch folgende Züge aus dem Leben des Apostels Paulus. 2.<br />
Kor. 11,5 erklärt er seiner Gemeinde geradezu, daß ihm dasselbe Ansehen eigne, wie den hohen<br />
Aposteln. Und welche Stellung er sich Petrus gegenüber anwies, das erhellt auf das Unzweideutigste<br />
aus dem im zweiten Kapitel des Galaterbriefes erzählten Vorfalle. Mit dem ganzen Freimut seines<br />
Glaubens trat Paulus dem Petrus entgegen, tadelte <strong>und</strong> strafte ihn. Daß übrigens Petrus selbst<br />
keine hierarchische Meinung von sich hegte, ersehen wir aus seinen eigenen Worten. „Die<br />
Ältesten“, sagte er am Schlusse seines ersten Sendschreibens (5,1), „ermahne ich, der Mitälteste –<br />
weidet die Herde Gottes, so euch befohlen ist <strong>und</strong> haltet Aufsicht, nicht gezwungen, sondern williglich;<br />
nicht im schändlichen Gewinn, sondern von Herzensgr<strong>und</strong>e; nicht als die über die Sprengel<br />
587 Die für unsere deutschreformierte Kirche so wichtige Generalsynode von Herborn (1586) stellt im Artikel IV, mit<br />
der bedeutsamen Überschrift de Censuris ecclesiasticis den Satz auf: Nulla ecclesia, nullus minister, nullus Senior,<br />
nullus diaconus habeat primatum super alterum. Möchten die reformierten Kirchen in Deutschland auch von dieser<br />
reformierten <strong>Gr<strong>und</strong></strong>anschauung nicht weichen, trotz aller Verführungen, welche sie umschleichen!