Fester Grund christlicher Lehre. Ein Hilfsbuch zum ... - Licht und Recht
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Von der Ubiquität oder Allenthalbenheit des Leibes Christi. 173<br />
gute Gelegenheit finden, die mit so harten Namen belegte reformierte <strong>Lehre</strong> zu rechtfertigen. Wir<br />
müssen indes hier darauf verzichten. Dem einfachen Leser genügt wohl Olevians Auseinandersetzung,<br />
<strong>und</strong> wer wissenschaftliche Befriedigung sucht, kann sie durch die gerade in diesem Abschnitt<br />
ganz vortreffliche Darstellung in Ebrards Dogmatik (Bd. II. § 370-390) erlangen. 583 Wir schließen<br />
darum mit den Bemerkungen, welche derselbe verdienstvolle Gelehrte über die berührten Widersprüche<br />
der Concordienformel macht. „Woher“, sagt er, „dies Nest von Widersprüchen? Die nestorianische<br />
<strong>Gr<strong>und</strong></strong>voraussetzung, 584 wonach die beiden Naturen als zwei Stücke oder Substanzen betrachtet<br />
werden, 585 nötigte zu solchen Auskunftsmitteln. Man faßte die beiden Naturen nicht auf als<br />
ewiges Wesen <strong>und</strong> zeitliche Erscheinung; man begriff nicht, daß alle Qualitäten der Gottheit, die<br />
beim Vater in der Form der ewigen Weltregierung sind, bei Christo, <strong>und</strong> zwar von der Geburt an, in<br />
der Form menschlicher historischer Verhältnisse existierten, die Allmacht als Macht über bestimmte<br />
einzelne Naturgewalten, die Allwissenheit als Kraft der Durchschauung einzelner bestimmter Objekte<br />
der Erkenntnis, die Allgegenwart als Beherrschung der einzelnen bestimmten Raumschranken.<br />
Man dachte sich die Gottheit Christi immer als ein neben der Menschheit magisch herspielendes<br />
Sein, so daß Christus als Mensch beschränkt, nebenbei aber auch noch als Gott in ewiger Weise unbeschränkt<br />
<strong>und</strong> abstrakt allmächtig, d. h. alles Mögliche könnend, war. Nun mußte die Divergenz<br />
zwischen dem allmächtigen <strong>und</strong> allwissenden Ich <strong>und</strong> dem nicht allmächtigen <strong>und</strong> nicht allwissenden<br />
Ich irgendwie gelöst werden, falls man nicht im gröbsten Nestorianismus stecken bleiben wollte.<br />
Zu dem Ende schrieb man auch dem menschlichen Stück an Jesu jene abstrakte Allmacht, Allwissenheit<br />
<strong>und</strong> Allgegenwart zu, <strong>und</strong> damit nun nicht (wie bei Musculus) die ganze Wahrheit des<br />
Lebens Jesu auf Erden <strong>zum</strong> Gespenst werde, ließ man bis zur Himmelfahrt die menschliche Natur<br />
von jener abstrakten Unendlichkeit keinen Gebrauch machen. Dies verstand man unter der exinanitio,<br />
also die Endlichkeit der menschlichen Natur als solche (nicht die Annahme der noch unter der<br />
Herrschaft des Todes stehenden unerlösten Menschennatur); folglich mußte man unter der exaltatio<br />
die Aufhebung der Endlichkeit der Menschennatur verstehen (nicht die Befreiung derselben vom<br />
Tode). Nun geriet man denn auch in jene Verlegenheit, ob man die Teilnahme der Menschheit an der<br />
abstrakten Unendlichkeit mit der Himmelfahrt, oder (dem Begriff der exaltatio, aber nicht der evangelischen<br />
Geschichte entsprechend) schon mit der Auferstehung beginnen sollte. Diesen Punkt fand<br />
man aber für gut, im Dunkeln zu lassen“. 586<br />
Es ist eine bekannte Sache, wie einerseits der Heidelberger (Frage 47 u. 48) mit der ganzen reformierten<br />
Kirche gegen die Ubiquitätslehre protestiert <strong>und</strong> wie andrerseits die Concordienformel <strong>und</strong><br />
ihre Anhänger mit den schwersten Anklagen auf diese <strong>und</strong> jene Ketzerei gegen unsere <strong>Lehre</strong> zu Felde<br />
ziehen, um schließlich unter dem Namen reformierter Doktrin eine <strong>Lehre</strong> zu verdammen, zu welcher<br />
sich die reformierte Kirche nie bekannt hat. Um der Bruderliebe willen mögen wir weder mit<br />
denselben Waffen streiten, noch auch überhaupt diese alten Streitigkeiten an diesem Orte erneuern.<br />
Diejenigen Vertreter der Concordienformel, welche die Wahrheit ernstlich suchen <strong>und</strong> den Frieden<br />
der evangelischen Kirche lieben, können wir überdem auf eine schon seit langen Jahren von unserer<br />
deutschen reformierten Kirche offiziell abgegebene Erklärung in dieser Sache verweisen. Die Admonitio<br />
christiana de libro Concordiae quem vocant nämlich legt nicht nur unsere wahre <strong>Lehre</strong> dar,<br />
583 Was Herr Karl Graul in seinen Unterscheidungslehren von S. 55 bis 58 gegen die reformierte <strong>Lehre</strong> bemerkt, ist<br />
der Art, daß es keine Widerlegung, ja nicht einmal eine Erwähnung verdiente, wenn nicht leider gar Viele aus die -<br />
sem Büchlein ihre Urteile über reformierte <strong>Lehre</strong> holten.<br />
584 In §389 der Dogmatik gibt Ebrard als die zwei <strong>Gr<strong>und</strong></strong>fehler der lutherischen Theorie von der Person Christi an: a)<br />
die nestorianische Voraussetzung; b) einen flachen, empirischen Begriff von den göttlichen Eigenschaften.<br />
585 So wehrt sich die Sol. decl. gegen den Entychianismus mehrmals mit den Worten, die Proprietäten der einen Natur<br />
würden der andern nicht transf<strong>und</strong>iert quasi de uno vase in aliud.<br />
586 Vergl. Ebrard, das Dogma vom h. Abendmahl II. S.715 u. 716.