Fester Grund christlicher Lehre. Ein Hilfsbuch zum ... - Licht und Recht
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„Niedergefahren zur Höllen.“ 161<br />
formel <strong>zum</strong> einzig berechtigten <strong>und</strong> zur allgemeinen Norm, nach welcher die Stellung der beiden<br />
Schwesterkirchen zu bemessen sei.<br />
Die reformierte Orientierung über das ihr von der römischen Kirche vorgelegte Dogma von dem<br />
Heimgang Christi zu den alttestamentlichen Heiligen, welche an einem eigenen Orte der Leiden wegen<br />
der Erbschuld der Erlösung harrten, begann mit der Verwerfung dieser römischen Auffassung,<br />
weil dieselbe verkenne, daß Christi Erlösung den Gläubigen des A. T. ebenso gut zukomme, als denen<br />
des N. T. In der Leugnung eines dritten mittlern Ortes neben Himmel <strong>und</strong> Hölle, in der entschiedenen<br />
Ablehnung einer andern Teilung der Seelen im Jenseits, als in Selige <strong>und</strong> Verdammte, in<br />
der Verwerfung einer drüben noch möglichen entscheidenden Veränderung der Seele in ihrer Stellung<br />
zu Gott durch Buße <strong>und</strong> Glauben – stimmen also Reformierte <strong>und</strong> Lutheraner zusammen. Ja,<br />
was diesen dritten Punkt angeht, so ist er <strong>Gr<strong>und</strong></strong>anschauung aller Symbole des sechzehnten Jahrh<strong>und</strong>erts,<br />
denn auch die Römischen halten ihn ebenso streng fest, wie die Evangelischen, <strong>und</strong> wollen<br />
weder ihr alttestamentliches noch ihr neutestamentliches Fegfeuer im Widerspruch mit dieser<br />
<strong>Gr<strong>und</strong></strong>anschauung verstanden haben. Da das Fegfeuer eben nur die im Glauben an den Erlöser Dahingestorbenen<br />
<strong>und</strong> nur die ungeheure Zahl der noch zeitlicher Büßungen Bedürftiger aufnimmt, so<br />
versteht sich von selbst, daß die Römischen keine im Jenseits erst eintretende, im Diesseits noch<br />
nicht möglich gewesene oder noch nicht <strong>zum</strong> Durchbruch gekommene Entscheidung für Christus<br />
annehmen oder nur für denkbar halten.<br />
Das F<strong>und</strong>amentale, worin die Abweichung der Reformierten von den Lutheranern zu Tage tritt,<br />
ist der Satz: „Christus geht sogleich nach seinem Tode“, wie Luk. 23,43 u. 46 geschrieben steht, „in<br />
den Paradeisos,“ der aber, nach der <strong>Gr<strong>und</strong></strong>anschauung des ganzen Zeitalters <strong>und</strong> aller Kirchen, nur<br />
als der fixe Aufenthaltsort aller schon in dieser Zeit ganz für Christus Entschiedener <strong>und</strong> Seliger gefaßt<br />
wird. So teilt er nach seiner menschlichen Natur das Los aller Heiligen Gottes, <strong>und</strong>, wie schon<br />
Peter Martyr bemerkt, 557 allgemeiner noch das der wahren menschlichen Natur überhaupt. Dabei<br />
wird aber nie vergessen, daß der ganze Vorgang eine Tat des Erlösers ist. Diese reformierte Auffassung<br />
ist allerdings vereinbar mit den Worten κατήλθεν εἰς ᾅδου, wodurch die altchristliche Kirche<br />
den Artikel von der Höllenfahrt ausdrückte, nicht aber mit der im Laufe der Zeit, in Folge wirklicher<br />
Veränderung der altchristlichen Vorstellung, entstandenen lateinischen Formel „descendit ad<br />
infernos“, wovon unsere Fassung „niedergefahren zur Hölle“, nur eine Übersetzung ist. Da man<br />
aber daraus einen <strong>Ein</strong>wurf wider die Richtigkeit der reformierten Auffassung oder eine bindende<br />
Richtschnur für die <strong>Lehre</strong> ebensowenig hernehmen kann, wie aus einer menschlichen Formel überhaupt,<br />
so hielten sich die reformierten <strong>Lehre</strong>r für berechtigt, auf <strong>Gr<strong>und</strong></strong> der Schrift dieser nun einmal<br />
im kirchlichen Gebrauche befindlichen, auf das alttestamentliche Fegfeuer lautenden Formel<br />
einen mit ihrem christlichen Glauben verträglichen Sinn zu geben. <strong>Ein</strong> Blick auf das Symbolum<br />
lehrte sie, daß hier nach der gewöhnlichen Auslegung nur das Leibliche des Leidens <strong>und</strong> des Todes<br />
hervorgehoben sei. In allen Konfessionen war die Wahrnehmung dieses Mangels gemacht worden.<br />
Die Reformierten suchten ihn durch Erklärung des Artikels von der Niederfahrt zu heben, indem sie<br />
ihn, im Interesse einer vollständigen Genugtuung, der vollen Versöhnung <strong>und</strong> des vollkommenen<br />
Christentrostes, 558 auf die Ertragung aller geistlichen Schrecken, Kämpfe <strong>und</strong> die Schmach des Todes<br />
<strong>und</strong> des Grabes bezogen. Mit einer Erduldung des nur körperlichen Todes wäre das Erlösungswerk<br />
nicht vollbracht gewesen; es müsse der Tod der Verdammten erduldet werden <strong>und</strong> darum müsse<br />
Christus niedersteigen in die unsichtbaren, unbegreiflichen Gerichte Gottes, in die Hölle der<br />
557 E<strong>und</strong>em subiit statum (anima Christi) quem reliquae animae a corpore sejunctae experiuntur. Pet. Martyr. loc.<br />
comm. ed. Gualter p. 428. Vergl. die verdienstvolle Schrift von Güder. Ähnliches hat Bukanus pag. 237.<br />
558 Nec omnino omittendus fuit (sc. articulus de desecnsu) cum ad plenam redemptionis nostrae fidem nobis faciendam<br />
maxime conducat et summam piis consolationem adferat. Bucani Instit. theol. loc. XXV. pag. 236.