Fester Grund christlicher Lehre. Ein Hilfsbuch zum ... - Licht und Recht
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VIII. Von der Ubiquität oder Allenthalbenheit des Leibes Christi.<br />
(Zu Seite 72.)<br />
Die Auseinandersetzungen Olevians von Seite 72 bis 73 sind gegen eine der lutherischen Kirche<br />
eigentümliche <strong>Lehre</strong> gerichtet. Im Interesse der charakteristischen Doktrin dieser Konfession von<br />
der Gegenwart des Leibes Christi im Brote des heiligen Abendmahles wurde nämlich schon sehr<br />
früh die Behauptung aufgestellt, auch die menschliche Natur Christi nehme Teil an den Eigenschaften<br />
der Gottheit, <strong>und</strong> es sei ihr deshalb ebensosehr Allmacht, Allgegenwart usw. zuzuschreiben, wie<br />
der göttlichen Natur. Dadurch sollte dann die Abendmahlslehre den nötigen Unterbau erhalten haben.<br />
Luther selbst hat diese Lehrweise eingeführt. Seine im Jahre 1527 erschienene Schrift: „Daß<br />
diese Worte“ usw. enthält folgende Darstellung: „Christi Leib ist zur <strong>Recht</strong>en Gottes. Die <strong>Recht</strong>e<br />
Gottes ist aber an allen Enden. So ist sie gewißlich auch im Brot <strong>und</strong> Wein über Tisch. Wo nun die<br />
rechte Hand Gottes ist, da muß auch Christi Leib <strong>und</strong> Blut sein, denn die rechte Hand Gottes ist<br />
nicht zu teilen in viele Stücke, sondern in einiges einfältiges Wesen. Wenn also Christus im Abendmahle<br />
die Worte: ‚Das ist mein Leib‘ gar nie gesagt hätte, so erzwingen’s die Worte: ‚Christus sitzet<br />
zur rechten Hand Gottes‘, daß sein Leib <strong>und</strong> Blut da sein möge, wie an allen andern Orten <strong>und</strong><br />
darf hier nicht einiger Transsubstantiation oder Verwandlung des Brots in seinen Leib, kann dennoch<br />
wohl da sein, gleichwie die rechte Hand Gottes nicht darum muß in alle Dinge verwandelt<br />
werden, ob sie wohl da <strong>und</strong> drinnen ist.“ 581 Was ist aber hiermit erreicht? Die Herablassung des erlösten<br />
Christus, seine barmherzige, freie Selbstmitteilung an die gläubigen Tischgenossen war in eine<br />
Naturnotwendigkeit verwandelt, der Rückwirkung auf die <strong>Lehre</strong> von der Person Jesu Christi nicht<br />
zu gedenken. Was diesen letztern Punkt betrifft, so, hat schon Zwingli in seinem „klaren Unterricht<br />
vom Nachtmahl Christi“ 582 gegen Luther bewiesen, wie seine <strong>Lehre</strong> von der Allenthalbenheit des<br />
Leibes Christi sich mit der alten christlichen <strong>Lehre</strong> von der Person Jesu Christi durchaus nicht vertrage.<br />
Und wie Zwingli klar <strong>und</strong> bündig nachwies, mit der Allenthalbenheit (Ubiquität) des Leibes<br />
Christi könne die wahre menschliche Natur nicht bestehen, so ist man auch den Nachweis nicht<br />
schuldig geblieben, daß diese Theorie, obgleich erf<strong>und</strong>en zur Stützung des Christus im Abendmahlsbrote,<br />
dennoch die eigentümliche Bedeutung des Sakramentes aufbebt. Das ist übrigens auch<br />
unschwer einzusehen. Denn ist dieser Christus ebensowohl in allen übrigen Dingen, so hat das heil.<br />
Abendmahl eben keinen Vorzug <strong>und</strong> es ist nicht erklärlich, wozu es überhaupt noch eingesetzt ist.<br />
Allerdings wollten gewisse Theologen, wie Heßhusius, die Abendmahlslehre nicht auf die von den<br />
Württembergern Brenz <strong>und</strong> Jakob Andreä <strong>und</strong> Andreas Musculus am stärksten betonte Allenthalbenheit<br />
des Leibes Christi gründen. Aber wir fragen sie, ob das Essen des Leibes Christi mit dem M<strong>und</strong>e,<br />
ob eine wirkliche Gegenwart des Leibes Christi im Brote des Abendmahls, in jedem Brote desselben<br />
<strong>und</strong> zu gleicher Zeit an den verschiedensten Orten in jedem Abendmahlsbrote nicht die Allenthalbenheit<br />
der menschlichen Natur zur Voraussetzung haben muß? Wie lange darum auch, in oft<br />
heftigem Streite, im eigenen Lager über diese Ubiquitätstheorie hin <strong>und</strong> her verhandelt wurde, <strong>und</strong><br />
wie sehr die Diplomatik der Concordienformel zu bew<strong>und</strong>ern ist, da es ihr gelang, die meisten Parteien<br />
ihrer Kirche zufrieden zu stellen, so ist am eigentlichen Stande der Sache doch schließlich<br />
nichts geändert worden. Denn, wenn die Concordienformel lehrt, der Leib Christi sei im Brote auf<br />
eine unbegreifliche <strong>und</strong> geistige Weise, wie der Blick überall durch die Luft gehe, so ist es ein bloßer<br />
Schein, es werde dadurch eine nichtörtliche Allmachtswirkung, etwa in der Weise Calvins gelehrt.<br />
Denn damit stimmt ja die Gegenwart des Leibes im Brote, <strong>und</strong> der mündliche Genuß von Sei-<br />
581 Luther steht sogar nicht an, den Leib Christi „im Stein, im Feuer, im Wasser oder auch im Strick zu finden“, nur<br />
fügt er die <strong>Ein</strong>schränkung hinzu: „er will aber nicht, daß du überall nach ihm tappest, sondern wo das Wort ist, da<br />
tappe nach ihm.“<br />
582 Opp. Zwinglii Bd. II. Abth. I. S. 426 ff. Siehe den vortrefflichen Auszug bei Ebrard, <strong>Lehre</strong> vom h. Abendmahl II.<br />
219 flg.