Fester Grund christlicher Lehre. Ein Hilfsbuch zum ... - Licht und Recht
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XIV. Über den Genfer Consensus <strong>und</strong> Katechismus.<br />
<strong>Ein</strong> ehemaliger Karmelitermönch, Bolsec, kam, nach wenig ehrenvoller Irrfahrt, zuletzt aus der<br />
Umgebung der hochherzigen reformierten Fürstin Renata von Ferrara schmachvoll verjagt, in Genf<br />
an, <strong>und</strong> ließ sich daselbst als Arzt nieder. Bald mischte sich der Exmönch jedoch in die kirchlichen<br />
Angelegenheiten <strong>und</strong> besonders in die theologischen Streitfragen. Besonders war ihm Calvins <strong>Lehre</strong><br />
von der Gnade <strong>und</strong> Prädestination zuwider. Mit leicht gezimmerten <strong>Ein</strong>wendungen, hämischen Verdrehungen<br />
<strong>und</strong> irreligiösen Konsequenzmachereien wirkt er denselben keck entgegen, um seine offenbar<br />
seichten <strong>und</strong> pelagianischen Sätze unter die Leute zu bringen. Calvin gab sich alle Mühe, ihn<br />
durch seelsorgerliche <strong>Ein</strong>wirkung <strong>und</strong> Vorstellung eines Besseren zu belehren. Doch alle diese Bemühungen<br />
der rettenden Liebe schienen den Hochmut <strong>und</strong> den Widerspruchsgeist Bolsecs nur noch<br />
mehr aufzustacheln. Ganz offen wühlte er unter dem so strenger Zucht bedürftigen Genfer Volk gegen<br />
die kirchliche Lehrordnung <strong>und</strong> verstieg sich zu rohen Schmähungen wie diese: Deus Calvini<br />
est hypocrita, mendax, perfidus, injustus, fautor et patronus scelerum, et diabola ipso pejor. (J. Bonnet<br />
Lettres de Calvin T. I. pag. 364). Zuletzt, nachdem er inzwischen kurze Zeit sein Wesen in Bevay<br />
getrieben hatte <strong>und</strong> von dort ausgewiesen worden war, ging er in seiner Arroganz so weit, daß<br />
er am 16. Oktober 1551 zu Genf während eines Gottesdienstes auftrat <strong>und</strong> der Predigt des Geistlichen<br />
Johann von St. Andreas über Joh. 8,47 (nicht aber 1. Joh. 4,6) seine eigene im römischen Sauerteig<br />
wurzelnde pelagianische Doktrin in heftiger Streitrede entgegenstellte. Die Wahrnehmung,<br />
daß Cavin nicht zugegen sei, hatte ihn wohl auch zu diesem Wagnis verleitet. Nun aber kam der Reformator<br />
dennoch später in die Kirche <strong>und</strong> war Zeuge des ärgerlichen Auftrittes. Er ließ den<br />
schimpfenden Volksaufwiegeler enden. Da aber trat der große Mann vor die geärgerte Versammlung<br />
<strong>und</strong> vernichtete die <strong>Ein</strong>wendungen <strong>und</strong> Aufstellungen dieses Theologen des ordinären Menschenverstandes,<br />
welcher die Tragweite der angeregten Streitfrage nicht einmal ahnt, mit solcher Geistesüberlegenheit,<br />
daß Beza meint, Calvin sei niemals größer erschienen. Der gegenwärtige Polizeipräfekt<br />
führte den Störer des Gottesdienstes sogleich ins Gefängnis <strong>und</strong> alsbald wurde der Prozeß gegen<br />
ihn eröffnet. Im Dezember 1551 wurde Bolsec, unter Zustimmung der übrigen schweizerischen<br />
Stände, wegen seines schlechten Lebenswandels (Drélincourt Déf. de Calv. p. 150 et 151), wegen<br />
revolutionärer Umtriebe <strong>und</strong> seiner Verderblichen Irrlehre, für immer aus Genf verbannt. Bald<br />
machte ihn sein Wesen <strong>und</strong> sein Treiben auch den übrigen Teilen der Schweiz völlig unerträglich.<br />
Der schmachvolle Schluß seines Lebens setzt dem Ganzen die Krone auf. Er starb zu Autun in<br />
Frankreich, ubi contra quam sperarat ecclesias affligi animadvertit, repetita medicina ad hostes manifesta<br />
defectione, uxore quoque Canonicis Augustodunensibus prostituta, transivit. (Beza, vita Calvini<br />
p. 375-376). Niemand würde mehr an diesen Mann denken, wenn er sich nicht durch ein Lügenlibell<br />
über Calvin ein Denkmal der Schmach gesetzt hätte <strong>und</strong> die durch ihn angeregten Wirren<br />
nicht die Veranlassung zur Veröffentlichung des Genfer Consensus geworden wäre. Wenige Tage<br />
nach seiner Vertreibung aus Genf, am 18. Dezember 1551, fand eine Versammlung der Genfer<br />
Geistlichkeit 830 in Verbindung hervorragender Magistratspersonen statt. Hier wurden die Fragen von<br />
der Prädestination <strong>und</strong> der Vorsehung Gottes auf <strong>Gr<strong>und</strong></strong> eines von Calvin gehaltenen Vortrags zu einer<br />
einstimmigen Erledigung gebracht. Die Geistlichkeit stimmte Calvin durchaus zu <strong>und</strong> ließ seinen<br />
unterdes weiter ausgearbeiteten Vortrag in lateinischer <strong>und</strong> französischer Sprache als öffentliches<br />
Zeugnis ihrer <strong>Ein</strong>igkeit in der <strong>Lehre</strong> drucken. Dasselbe ist bekannt als: „Consensus pastorum<br />
ecclesiae Genevensis“ <strong>und</strong> ward am 1. Januar 1552 als Neujahrsgeschenk dem Rate unter warmer<br />
Dankesbezeugung für den Schutz der rechtgläubigen <strong>Lehre</strong> überreicht. Der lateinische Titel lautet<br />
durchgehends: De aeterna Dei praedestinatione, qua in salutem alios ex hominibus elegit, alios suo<br />
exitio reliquit, item de providentia, qua res humanas gubernat, consensus pastorum Genevensis ec-<br />
830 Ruchat, Histoire de la Reformation tom. V. p. 467.