24.06.2012 Aufrufe

St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>St</strong>aats- <strong>und</strong> Verwaltungsrecht GVP <strong>2006</strong> Nr. 62<br />

knüpft nicht an eine rechtliche Bindung zwischen dem alten <strong>und</strong> dem neuen Eigentümer<br />

des beschädigten Gebäudes an. Sie will eine Gleichstellung mit dem Versicherten<br />

ausnahmsweise ermöglichen, wenn ein Härtefall vorliegt, unabhängig<br />

davon, wie dieser entstanden ist (vgl. GVP 2004 Nr. 39).<br />

b) Unbestritten ist, dass die P. AG zum Zeitpunkt des Schadenereignisses<br />

Eigentümerin des Gr<strong>und</strong>stücks war <strong>und</strong> dass die S. AG zu diesem Zeitpunkt keinen<br />

Rechtstitel auf den Erwerb der beschädigten Gebäude besass <strong>und</strong> auch nicht<br />

Gr<strong>und</strong>pfandgläubigerin war. Die S. AG stellt sich auf den <strong>St</strong>andpunkt, für die Gleichstellung<br />

mit der P. AG würden in mehrfacher Hinsicht «achtenswerte Gründe» im<br />

Sinn von Art. 37 Abs. 2 Satz 2 GVG sprechen.<br />

aa) Die S. AG argumentiert, mit dem Verkauf der Liegenschaft sei das Versicherungsverhältnis<br />

mit allen Rechten <strong>und</strong> Pflichten auf ihre Rechtsvorgängerin, die Genossenschaft<br />

A., übergegangen, so auch das Recht auf Wiederaufbauentschädigungen<br />

entsprechend den Verfügungen der GVA vom 26. <strong>und</strong> 28. Januar 2004.<br />

Nach diesen Verfügungen sei der Wiederaufbau innert drei Jahren die einzige Bedingung<br />

für die Auszahlung der Entschädigungen. Auf diese Formulierung habe ihre<br />

Rechtsvorgängerin vertrauen dürfen, nachdem im behördlich aufgesetzten Kaufvertrag<br />

ohne Vorbehalte auf den Übergang der Schadenversicherungen hingewiesen<br />

worden sei.<br />

Vertrauensschutz bei der Rechtsanwendung setzt ein Verhalten oder eine Äusserung<br />

der Behörde voraus, die gegenüber einer bestimmten Person eine Vertrauensgr<strong>und</strong>lage<br />

schafft (vgl. J. P. Müller, Gr<strong>und</strong>rechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern<br />

1999, S. 489; Chr. Rohner, <strong>St</strong>.Galler Kommentar zu Art. 9 BV, Rz. 51). Nach dem in<br />

Art. 9 BV verankerten Gr<strong>und</strong>satz von Treu <strong>und</strong> Glauben hat der Bürger einen Anspruch<br />

auf Schutz des berechtigten Vertrauens in bestimmte Erwartungen begründendes<br />

Verhalten der Behörden, wobei sowohl Verwaltungsakte als auch behördliche<br />

Auskünfte <strong>und</strong> Zusagen eine Vertrauensgr<strong>und</strong>lage bilden können (vgl. B. Weber-<br />

Dürler, Neuere Entwicklung des Vertrauensschutzes, in: ZBl 103/2002, S. 288 ff. mit<br />

Hinweisen).<br />

Der Verwaltungsakt ist eine besonders augenfällige Vertrauensgr<strong>und</strong>lage, weil<br />

es seine Funktion ist, dem Bürger Klarheit über die konkreten Rechte <strong>und</strong> Pflichten<br />

zu verschaffen (vgl. B. Weber-Dürler, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht,<br />

Basel/Frankfurt 1983, S. 183 mit Hinweisen). Der Schutz des Vertrauens in eine<br />

Zusicherung oder Auskunft setzt voraus, dass sich die Angabe auf eine konkrete,<br />

den betreffenden Bürger berührende Angelegenheit bezieht. In Betracht kommen<br />

nur behördliche Äusserungen, die inhaltlich einen gewissen Bestimmtheitsgrad<br />

aufweisen (vgl. Weber-Dürler, a. a. O., ZBl 103/2002, S. 189 mit Hinweis). Sodann<br />

muss die Amtsstelle für die Auskunftserteilung zuständig sein bzw. der Bürger<br />

muss sie aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten dürfen (vgl. BGE 127<br />

I 36 mit Hinweisen <strong>und</strong> Weber-Dürler, a. a. O., S. 107 mit Hinweisen). Weiter muss<br />

der Bürger gestützt auf sein Vertrauen eine Disposition getätigt haben, die ohne<br />

Nachteil nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (vgl. Weber-Dürler, a. a. O.,<br />

201

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!