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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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GVP <strong>2006</strong> Nr. 75 <strong>Gerichts</strong>praxis<br />

Hilfsperson untersteht. Zur Behandlung solcher Gesuche ist die Kantonsgerichtspräsidentin<br />

zuständig (Art. 38 Abs. 1 GerG). Für die Bewilligung wird vorausgesetzt,<br />

dass das Interesse an der Herausgabe grösser ist als das Interesse der Verfahrensbeteiligten<br />

an der Wahrung des Amtsgeheimnisses. Diese Voraussetzung ist hier<br />

gegeben. Um sich gegen den Vorwurf der üblen Nachrede (Art. 173 <strong>St</strong>GB) verteidigen<br />

zu können, muss dem Gesuchsteller gestattet werden darzulegen, welche<br />

Äusserungen er im Gutachten gemacht hat. Der Beklagte selber hat offenbar nicht<br />

das gesamte Gutachten eingereicht. Der Abänderungsbeklagte andererseits hat,<br />

nachdem er das Ehrverletzungsverfahren gegen den Gutachter eingeleitet hat, kein<br />

schützenswertes Interesse, dass das Gutachten dort nicht eingereicht wird. Auch<br />

das Interesse der Klägerin im Abänderungsprozess an der Wahrung des Amtsgeheimnisses<br />

muss aber in einem solchen Fall zurückstehen (zur Rechtsgüterabwägung<br />

in einem solchen Fall im Rahmen des Berufsgeheimnisses vgl. ZR 86 [1987],<br />

Nr. 18). Die Bewilligung nach Art. 38 Abs. 1 GerG wird daher erteilt.<br />

Überdies berührt die Einreichung des Gutachtens aber auch das Berufsgeheimnis<br />

(Art. 321 <strong>St</strong>GB), da der Gesuchsteller damit geheimzuhaltende Tatsachen von<br />

A. B. <strong>und</strong> C. D., die ihm infolge seines Berufs als Arzt anvertraut wurden beziehungsweise<br />

die er in dessen Ausübung wahrgenommen hat, gegenüber Dritten offen<br />

legt. Der Gesuchsteller kann durch Bewilligung «der vorgesetzten Behörde<br />

oder Aufsichtsbehörde» von der Einhaltung des Berufsgeheimnisses befreit werden<br />

(Art. 321 Abs. 2 <strong>St</strong>GB). Die Kantonsgerichtspräsidentin ist jedoch nicht zuständig<br />

zur Erteilung dieser Bewilligung, da sie nicht Aufsichtsbehörde in diesem Sinn<br />

ist. Gemäss Art. 321 Abs. 2 <strong>St</strong>GB können sodann auch die Berechtigten den Gesuchsteller<br />

von der Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses entbinden.<br />

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