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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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Rechtspflege GVP <strong>2006</strong> Nr. 101<br />

2. Keine der genannten Gesetzesbestimmungen vermag eine abschliessende<br />

Antwort auf die hier interessierende Frage zu geben. Das <strong>St</strong>aatsverwaltungsgesetz<br />

richtet sich an Behördemitglieder <strong>und</strong> Beamte, die in den hierarchischen Aufbau<br />

der <strong>St</strong>aatsverwaltung integriert sind <strong>und</strong> dementsprechend einer einheitlichen<br />

Aufsicht unterstehen. Die (vergleichbaren) Bestimmungen des <strong>Gerichts</strong>gesetzes<br />

regeln die Aktenherausgabe <strong>und</strong> die Erteilung von Auskünften durch gerichtliche<br />

Behörden <strong>und</strong> Beamten. Die Bestimmungen von <strong>St</strong>rafprozessgesetz (<strong>und</strong> Zivilprozessgesetz)<br />

schliesslich sind nicht anwendbar, weil sie die Auskunftgabe im Rahmen<br />

eines prozessualen Untersuchungs- oder <strong>Gerichts</strong>verfahrens regeln.<br />

3. Im Unterschied zu den übrigen Behördemitgliedern <strong>und</strong> Beamten untersteht<br />

die <strong>St</strong>aatsanwaltschaft einer geteilten Aufsicht (vgl. dazu Christoph Mettler, <strong>St</strong>aatsanwaltschaft,<br />

Basel 2000, 11). Während die administrative Aufsicht der Regierung<br />

bzw. dem Justiz- <strong>und</strong> Polizeidepartement obliegt (vgl. Art. 21 Abs. 1 <strong>St</strong>P), «wacht»<br />

die Anklagekammer in ihrer Eigenschaft als fachliche Aufsichtsbehörde «über die<br />

Einhaltung dieses Gesetzes (des <strong>St</strong>rafprozessgesetzes) durch die <strong>St</strong>rafverfolgungsbehörden<br />

<strong>und</strong> kann ihnen allgemeine Weisungen erteilen» (Art. 16 Abs. 1 <strong>St</strong>P). Der<br />

Anklagekammer, <strong>und</strong> nicht der Regierung, steht denn auch die Disziplinargewalt<br />

über die <strong>St</strong>aatsanwälte <strong>und</strong> die Beamten <strong>und</strong> Angestellten der <strong>St</strong>aatsanwaltschaft<br />

zu (Art. 12 Abs. 2 lit. c Disziplinargesetz). Die geteilte Aufsicht durch Regierung <strong>und</strong><br />

Anklagekammer zeigt, dass es sich bei der <strong>St</strong>aatsanwaltschaft nicht um eine blosse<br />

Verwaltungseinheit handelt, sondern dass ihr der Charakter einer eigenständigen<br />

Behörde, angesiedelt zwischen Verwaltung <strong>und</strong> Justiz, zukommt (vgl. dazu<br />

Walther Pf<strong>und</strong>, Geschichte <strong>und</strong> <strong>St</strong>ellung der <strong>St</strong>aatsanwaltschaft im st.<strong>gallische</strong>n<br />

Recht, Dornbirn 1921, 45 f.).<br />

Die administrative Aufsicht durch die Regierung bezieht sich auf den äusseren<br />

Geschäftsgang <strong>und</strong> beschränkt sich in der Regel auf Vorkommnisse, welche die<br />

Funktionstüchtigkeit der <strong>St</strong>aatsanwaltschaft in Frage stellen (Christoph Mettler,<br />

a. a. O., 14). Ein fachliches Weisungsrecht der Regierung im konkreten Einzelfall<br />

besteht nicht (vgl. dazu auch BGE 107 Ia 255). Soweit andere Kantone ein beschränktes<br />

Weisungsrecht der Regierung kennen, beschränkt sich dieses in aller<br />

Regel auf die Kompetenz, einerseits Schwerpunkte der <strong>St</strong>rafverfolgung festzulegen<br />

<strong>und</strong> andererseits der <strong>St</strong>aatsanwaltschaft Weisungen zur Eröffnung (nicht aber<br />

zur Unterlassung) einer <strong>St</strong>rafuntersuchung zu erteilen (vgl. dazu Robert Hauser / Erhard<br />

Schweri / Karl Hartmann, Schweizerisches <strong>St</strong>rafprozessrecht, 6. Aufl., Basel<br />

2005, S. 97; Niklaus Schmid, <strong>St</strong>rafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich 2004, N. 101).<br />

4. Nachdem der Regierung nur administrative, aber keine fachlichen Aufsichtsbefugnisse<br />

zukommen, steht ihr auch kein (rechtlich geschützter) Anspruch zu, von<br />

der <strong>St</strong>aatsanwaltschaft Auskünfte über die Einleitung <strong>und</strong> Durchführung konkreter<br />

<strong>St</strong>rafprozesse einzufordern (Christoph Mettler, a. a. O., 11 f.). Vielmehr hat sich die<br />

<strong>St</strong>aatsanwaltschaft bei der Herausgabe von <strong>St</strong>rafakten <strong>und</strong> der Erteilung von Auskünften<br />

auch gegenüber Regierung <strong>und</strong> Departement an die allgemeinen Gr<strong>und</strong>sätze<br />

zu halten.<br />

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