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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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Zivilrecht GVP <strong>2006</strong> Nr. 63<br />

II. Zivilrecht<br />

1. Personen- <strong>und</strong> Familienrecht<br />

63<br />

Art. 176 ZGB (SR 210). Eine im Eheschutzverfahren abgeschlossene Vereinbarung<br />

über die Ordnung des Getrenntlebens kann nicht einseitig<br />

widerrufen, aber wegen Willensmängeln oder offensichtlicher Unangemessenheit<br />

angefochten werden.<br />

Kantonsgericht <strong>St</strong>.Gallen, Einzelrichter im Familienrecht, 3. März <strong>2006</strong><br />

Eine Ehefrau will sich nicht mehr an die im Eheschutzverfahren abgeschlossene<br />

Vereinbarung halten, weil sie sich über Zusatzeinkünfte des Ehemanns geirrt habe,<br />

allenfalls sogar getäuscht worden sei <strong>und</strong> weil es bei knappen Mitteln unbillig sei,<br />

ihm auf Kosten des Familienunterhalts Kreditraten im Bedarf anzurechnen.<br />

Aus den Erwägungen:<br />

Eine Trennungsvereinbarung ist gr<strong>und</strong>sätzlich als Vertrag zu verstehen, an den<br />

die Ehegatten geb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> den sie nicht einseitig widerrufen können (Bühler/<br />

Spühler, Berner Kommentar, N 431 zu aArt. 145 ZGB; R. Vetterli, FamKomm Scheidung,<br />

N 12 zu Art. 175 ZGB). Sie können aber jederzeit beantragen, die Vereinbarung<br />

nicht zu genehmigen <strong>und</strong> – wenn das gleichwohl geschehen ist – diesen Entscheid<br />

anfechten (Bühler/Spühler, Berner Kommentar, N 202 zu aArt. 158 ZGB; Frank/<strong>St</strong>räuli/<br />

Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, N 17 zu § 200). Dabei<br />

dürfen sie in den Kinderbelangen geltend machen, die Vereinbarung widerspreche<br />

dem Kindeswohl, <strong>und</strong> bei den finanziellen Trennungsfolgen vorbringen, sie sei zivilrechtlich<br />

unwirksam oder offensichtlich unangemessen. Im Übrigen ist eine Anfechtung<br />

jedoch ausgeschlossen, weil die Parteien durch eine Genehmigung ihrer<br />

eigenen Abmachungen nicht beschwert sind (KGer SG, FamPra.ch 2003, 186 ff.).<br />

Die Ehefrau beruft sich zunächst auf einen Willensmangel <strong>und</strong> behauptet, sie<br />

habe sich über die Höhe der Beiträge, welche der Ehemann von Mitfahrern erhalte,<br />

falsche Vorstellungen gemacht. Es kann offen bleiben, ob das nicht gerade zu<br />

jenen unsicheren Punkten gehörte, die mit dem Vergleich hätten erledigt werden<br />

sollen (BGE 117 II 226; Meier-Hayoz, Vergleich, SJK Nr. 463). Jedenfalls scheint es<br />

glaubhaft, dass aus einer Fahrgemeinschaft mit Arbeitskollegen bloss ein Unkostenbeitrag<br />

<strong>und</strong> nicht ein eigentlicher Nebenverdienst resultiert. Eine solche Lebenserfahrung<br />

lässt sich mit einer Behauptung vom Hörensagen nicht entkräften. Aufwändige<br />

Zeugenbeweise sind nicht abzunehmen.<br />

Die Ehefrau weist auch noch darauf hin, dass die Abzahlung von Schulden in einer<br />

Mankosituation nicht berücksichtigt werden dürfe. Dieser Gr<strong>und</strong>satz ist in Lehre<br />

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