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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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GVP <strong>2006</strong> Nr. 66 <strong>Gerichts</strong>praxis<br />

(Art. 397 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 373 Abs. 1 ZGB; Art. 64 Abs. 2 EG zum ZGB,<br />

Art. 71a lit. b VRP). Die Zuständigkeit der Verwaltungsrekurskommission zur Beurteilung<br />

der <strong>St</strong>reitsache ist gegeben.<br />

b) Als direkt von der vorm<strong>und</strong>schaftlichen Massnahme Betroffene ist die Klägerin,<br />

unabhängig davon, ob sie urteilsfähig ist oder nicht, zur Klage legitimiert (Schnyder/<br />

Murer, Berner Kommentar, Band II/3/1, Bern 1984, N 113 zu Art. 373 ZGB).<br />

c) Die Vorinstanz zweifelt die Gültigkeit der Vollmacht vom 11. Mai <strong>2006</strong> an, mit<br />

welcher die Klägerin ihren Rechtsvertreter mit der Wahrung ihrer Interessen im<br />

Klageverfahren beauftragt hat. Aufgr<strong>und</strong> der eigenen Wahrnehmungen <strong>und</strong> des<br />

ärztlichen Berichtes vom 22. März <strong>2006</strong> müsse die Urteilsfähigkeit der Klägerin <strong>und</strong><br />

die Rechtmässigkeit dieser Vollmacht in Frage gestellt werden.<br />

Soweit die von der vorm<strong>und</strong>schaftlichen Massnahme betroffene Person urteilsfähig<br />

ist, ist sie auch prozessfähig, d. h. sie kann ihre Verfahrensrechte selber wahren<br />

oder einen Vertreter damit beauftragen; aus diesem Auftragsverhältnis ist sie<br />

unabhängig vom Ausgang des Verfahrens belangbar. An die Urteilsfähigkeit sind<br />

keine hohen Anforderungen zu stellen. Das Recht auf Bestellung eines Vertreters<br />

ist einerseits Ausfluss des rechtlichen Gehörs; anderseits darf in höchstpersönlichen<br />

<strong>St</strong>reitsachen der beschränkt Handlungsfähige immer einen Vertreter bestellen<br />

(Schnyder/Murer, a. a. O., N 113 f. zu Art. 373 ZGB). Ist die betroffene Person<br />

hingegen urteilsunfähig, also handlungsunfähig, fehlt es ihr an der Prozessfähigkeit,<br />

weshalb zum vorneherein ein Prozessbeistand bestellt werden muss: die Vorm<strong>und</strong>schaftsbehörde<br />

hat in diesem Fall gestützt auf Art. 392 Ziffer 1 ZGB einen Beistand<br />

zu bestimmen (Th. Geiser, in: Honsell/Vogt/Geiser [Hrsg.], Basler Kommentar zum<br />

Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch I, Art. 1-456 ZGB, Basel 2002, N 16 zu<br />

Art. 373 ZGB mit Hinweis; ZVW 33/1978 S. 118 f.; Schnyder/Murer, a. a. O., N 115<br />

zu Art. 373 ZGB; vgl. auch Art. 9 Abs. 2 VRP).<br />

Dem ärztlichen Bericht vom 22. März <strong>2006</strong> ist zu entnehmen, dass der geistige<br />

Ges<strong>und</strong>heitszustand <strong>und</strong> die Urteilsfähigkeit der Klägerin aufgr<strong>und</strong> einer beginnenden<br />

Altersdemenz eingeschränkt seien, weshalb sie nicht mehr in der Lage sei, ihre<br />

Angelegenheiten selbst einzuschätzen. Damit steht aber noch nicht fest, dass die<br />

Klägerin in Bezug auf die Führung eines Rechtsmittelverfahrens betreffend ihre<br />

Verbeiständung <strong>und</strong> die Bestellung eines Vertreters urteilsunfähig war <strong>und</strong> ist. Bezeichnenderweise<br />

ist auch die Vorinstanz nicht von einer fehlenden Urteilsfähigkeit<br />

ausgegangen, andernfalls hätte sie der Klägerin bereits für das Verbeiständungsverfahren<br />

einen Prozessbeistand ernennen müssen. Dies hat sie aber nicht getan.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die<br />

Urteilsfähigkeit mangels Beweises des Gegenteils gr<strong>und</strong>sätzlich vermutet wird<br />

(Pedrazzini/Oberholzer, Gr<strong>und</strong>riss des Personenrechts, 4. Aufl. 1993, S. 68 f.), ist<br />

davon auszugehen, dass die Klägerin in Bezug auf das sie betreffende Rechtsmittelverfahren<br />

urteilsfähig ist <strong>und</strong> ihren Vertreter rechtsgültig mit der Wahrung<br />

ihrer Interessen in diesem Verfahren beauftragen konnte. Die diesbezüglichen Einwendungen<br />

der Vorinstanz sind daher unbegründet.<br />

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