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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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GVP <strong>2006</strong> Nr. 63 <strong>Gerichts</strong>praxis<br />

<strong>und</strong> Praxis allgemein anerkannt: Geschützt ist in einem Mangelfall nur das reine betreibungsrechtliche<br />

Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen (BGE 121 I 97,<br />

101 f.; Hausheer/Spycher, Handbuch des Unterhaltsrechts, Rz 01.79). Andere nicht<br />

lebensnotwendige Ausgaben, namentlich <strong>St</strong>euern <strong>und</strong> Abzahlungsraten dürfen erst<br />

einbezogen werden, wenn der Notbedarf aller Familienmitglieder gedeckt ist (BGE<br />

127 III 289, 292). Familiäre Unterhaltspflichten sind rechtlich qualifiziert, sie haben<br />

Vorrang vor allen anderen Verpflichtungen (I. Schwenzer, FamKomm Scheidung,<br />

N 33 zu Art. 125 ZGB). Bei fehlenden Mitteln ist es unmassgeblich, wie <strong>und</strong> wann<br />

die Schulden entstanden sind <strong>und</strong> wer dafür haftet. Die Ehefrau kann neben der<br />

Betreuung zweier Kinder im Alter von fünf <strong>und</strong> acht Jahren höchstens einen bescheidenen<br />

Verdienst erzielen <strong>und</strong> mit einem Unterhaltsbeitrag von knapp Fr. 200.–<br />

ihren Bedarf offensichtlich nicht bestreiten. Sie ist auf Sozialhilfe angewiesen <strong>und</strong><br />

das bedeutet, dass das Gemeinwesen indirekt für den Kredit aufkommen müsste.<br />

Eine Abmachung über den Familienunterhalt gilt als offensichtlich unangemessen,<br />

wenn die Lasten ganz einseitig verteilt sind (Bühler/Spühler, Berner Kommentar,<br />

N 186 zu aArt. 158 ZGB; Sutter/Freiburghaus, Kommentar Scheidungsrecht, N 71<br />

zu Art. 140 ZGB) <strong>und</strong> das trifft hier zu. Die Vereinbarung kann in diesem Punkt nicht<br />

genehmigt werden.<br />

Zu prüfen bleibt, welche Konsequenzen das hat. Der Ehemann beantragt, dass<br />

die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen sei, <strong>und</strong> die Ehefrau geht davon aus,<br />

dass sie im Rechtsmittelverfahren insgesamt neu zu beurteilen sei. Der Rekurs ist<br />

ein reformatorisches Rechtsmittel. Eine Rückweisung ist zwar nicht völlig ausgeschlossen,<br />

widerspricht aber der Natur eines raschen Verfahrens. Sie mag allenfalls<br />

dazu dienen, die unterlassene Klärung eines Sachverhalts nachzuholen (Leuenberger/Uffer-Tobler,<br />

Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons <strong>St</strong>.Gallen, N 3 zu<br />

Art. 222), bezweckt aber gewiss nicht, den Parteien Gelegenheit zu verschaffen,<br />

den Prozess neu aufzurollen. Eine Vereinbarung, die sich in einem Punkt als nicht<br />

genehmigungsfähig erwiesen hat, fällt nur dann als Ganzes dahin, wenn anzunehmen<br />

ist, dass sie ohne diese Bestimmung überhaupt nicht geschlossen worden<br />

wäre (Bühler/Spühler, Berner Kommentar, N 178 zu aArt. 158 ZGB). Die Ehegatten<br />

haben im Rekursverfahren aber wiederum erklärt, dass in allen anderen Regelungsbereichen<br />

– nämlich bei der Obhut für die Kinder <strong>und</strong> dem persönlichen Verkehr<br />

mit ihnen, der Benützung der Familienwohnung <strong>und</strong> der Aufteilung des Hausrats –<br />

keine Differenzen bestehen. Neu festzusetzen ist demnach nur der Familienunterhalt.<br />

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