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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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GVP <strong>2006</strong> Nr. 101 <strong>Gerichts</strong>praxis<br />

101<br />

Art. 67 <strong>St</strong>P (sGS 962.1). Die <strong>St</strong>aatsanwaltschaft ist gr<strong>und</strong>sätzlich berechtigt,<br />

in eigener Kompetenz über die Erteilung von Auskünften über ein<br />

<strong>St</strong>rafverfahren zu entscheiden. Dabei ist weder eine Entbindung vom<br />

Amtsgeheimnis noch eine Ermächtigung durch die Anklagekammer erforderlich.<br />

Anklagekammer, 16. August <strong>2006</strong><br />

Die Regierung des Kantons <strong>St</strong>.Gallen forderte die <strong>St</strong>aatsanwaltschaft auf, sie<br />

zwecks Beantwortung einer im Kantonsrat eingereichten Einfachen Anfrage über<br />

den <strong>St</strong>and der Ermittlungen einer <strong>St</strong>rafuntersuchung zu informieren. Die <strong>St</strong>aatsanwaltschaft<br />

unterbreitete den Entwurf ihrer entsprechenden <strong>St</strong>ellungnahme der<br />

Anklagekammer <strong>und</strong> ersuchte um Entbindung vom Amtsgeheimnis. Die Anklagekammer<br />

trat auf dieses Gesuch im Sinne der Erwägungen nicht ein.<br />

Aus den Erwägungen:<br />

1. Behördemitglieder <strong>und</strong> Beamte sind gr<strong>und</strong>sätzlich an das Amtsgeheimnis<br />

geb<strong>und</strong>en (vgl. Art. 68 <strong>St</strong>aatsverwaltungsgesetz; Art. 37 GerG). Wer ein Geheimnis<br />

offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Behörde oder als Beamter<br />

anvertraut worden ist, oder das er in seiner amtlichen oder dienstlichen <strong>St</strong>ellung<br />

wahrgenommen hat, unterliegt der <strong>St</strong>rafandrohung von Art. 320 Ziff. 1 <strong>St</strong>GB. Nach<br />

Ziff. 2 dieser Bestimmung ist der Täter nicht strafbar, wenn er das Geheimnis mit<br />

schriftlicher Einwilligung seiner vorgesetzten Behörde offenbart hat.<br />

Als Erstes bleibt zu klären, welche Behörde als «vorgesetzte Behörde» i. S. von<br />

Art. 320 Ziff. 2 <strong>St</strong>GB zu gelten hat. Art. 69 <strong>St</strong>aatsverwaltungsgesetz räumt in gr<strong>und</strong>sätzlicher<br />

Hinsicht dem jeweiligen Departementsvorsteher oder der jeweiligen<br />

Departementsvorsteherin das Recht ein, die Bekanntgabe von Angelegenheiten,<br />

die dem Amtsgeheimnis unterliegen, zu bewilligen.<br />

Art. 68 <strong>St</strong>P macht die Herausgabe von amtlichen Akten für Zwecke eines <strong>St</strong>rafverfahrens<br />

von der Zustimmung des «zuständigen Departements» abhängig (vgl. auch<br />

Art. 132 ZPO). Art. 85 lit. a <strong>St</strong>P verlangt für die Zeugeneinvernahme eines Behördemitglieds<br />

oder Beamten über Tatsachen, die dem Amtsgeheimnis unterstehen,<br />

eine Ermächtigung durch die «zuständige Behörde». Für Richter, <strong>Gerichts</strong>schreiber<br />

<strong>und</strong> das Personal der Gerichte findet sich eine analoge Regelung in Art. 38 GerG.<br />

Demzufolge entscheiden die Präsidenten des Kantonsgerichts <strong>und</strong> des Verwaltungsgerichts<br />

in deren Zuständigkeits- <strong>und</strong> Aufsichtsbereich, ob <strong>Gerichts</strong>akten herauszugeben<br />

oder über <strong>Gerichts</strong>verfahren Auskünfte zu erteilen sind. Für das Kassationsgericht<br />

<strong>und</strong> für die Anklagekammer sind nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift<br />

«ihre Präsidenten» zuständig.<br />

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