24.06.2012 Aufrufe

St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

GVP <strong>2006</strong> Nr. 93 <strong>Gerichts</strong>praxis<br />

welcher durch ihre Präsenz wohl nicht erleichtert würde, sondern einen kontradiktorischen<br />

Charakter erhielte. Den Eheleuten ist es allerdings frei gestellt, ob sie<br />

sich ohne Rechtsbeistand auf einen Vergleich einlassen wollen. Bleibt es bei einer<br />

teilweisen Einigung über die Scheidungsfolgen, so schliesst das streitige Verfahren<br />

an das einvernehmliche an. Erst dann können die Ehegatten Anträge stellen, aus<br />

denen sich ergibt, ob ihre Auseinandersetzung wichtige <strong>und</strong> nicht leicht zu bewältigende<br />

Punkte betrifft.<br />

Das Gesuch erweist sich mithin zumindest als verfrüht. Daran ändert die Behauptung<br />

nichts, die Ehefrau lasse sich weiterhin anwaltlich vertreten. Einerseits<br />

ist es zweifelhaft, ob die als bedürftig bezeichnete Ehefrau einen Anwalt privat bezahlen<br />

kann, <strong>und</strong> andererseits wäre das belanglos, weil auch dieser sich vorerst am<br />

Verfahren nicht aktiv beteiligen könnte.<br />

93<br />

Art. 286 Abs. 2 ZPO (sGS 961.2). Wird das Gesuch zu Beginn einer Verhandlung<br />

gestellt, so umfasst die Bewilligung der unentgeltlichen Vertretung<br />

auch den Vorbereitungsaufwand.<br />

Kantonsgericht <strong>St</strong>.Gallen, Präsident II. Zivilkammer, 10. November <strong>2006</strong><br />

Der Kreisgerichtspräsident befreite eine Ehefrau im Eheschutzverfahren zwar von<br />

den <strong>Gerichts</strong>kosten. Er lehnte jedoch eine unentgeltliche Vertretung ab, weil rechtlicher<br />

Beistand in der zweiten, von der Ehefrau selbst gewünschten Verhandlung<br />

nicht mehr notwendig gewesen <strong>und</strong> zudem zur Unzeit, nämlich erst am <strong>Gerichts</strong>termin<br />

verlangt worden sei.<br />

Aus den Erwägungen:<br />

Für das summarische Eheschutzverfahren ist wohl eine Anhörung der Ehegatten<br />

vorgeschrieben (Art. 206 Abs. 1 ZPO; vgl. auch R. Vetterli, FamKomm Scheidung,<br />

N 9 Vorbem. zu Art. 175–179 ZGB), aber im Hinblick auf die gebotene Beschleunigung<br />

doch nur eine einzige Verhandlung. Die Familienrichterin war deshalb auch<br />

nach ergänzenden Beweisabnahmen gr<strong>und</strong>sätzlich nicht verpflichtet, eine zweite<br />

anzusetzen. Wenn sie das aber auf Wunsch der Parteien gleichwohl tat <strong>und</strong> wenn<br />

dabei der Ehemann mit seinem Anwalt erschien, so verlangte es der Gr<strong>und</strong>satz der<br />

Waffengleichheit (BGE 120 Ia 217, 219; 119 Ia 134, 135; 112 Ia 114, 115), dass<br />

sich auch die Ehefrau anwaltlich vertreten lassen konnte.<br />

Nach kantonalem Recht wird die unentgeltliche Prozessführung gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

nur für die Zukunft bewilligt. Eine Rückwirkung ist lediglich für den Fall vorgesehen,<br />

270

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!