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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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GVP <strong>2006</strong> Nr. 89 <strong>Gerichts</strong>praxis<br />

89<br />

Art. 263 Abs. 1 ZPO (sGs 961.2); Art. 5 Abs. 2, 17 HonO (sGs 963.75). Kürzung<br />

Honorar bei mehreren je einzeln vertretenen Beklagten wegen Synergieeffekten.<br />

Kassationsgericht, 4. April <strong>2006</strong><br />

Gemäss Art. 263 Abs. 1 ZPO sind Parteikosten die Auslagen für die Vertretung, soweit<br />

diese der Interessenwahrung dienten. Damit wird klargestellt, dass der Richter<br />

durchaus befugt ist, eine Kürzung des Honorars vorzunehmen, nämlich dann,<br />

wenn die Vertretungskosten mit dem zu beurteilenden Prozess nicht in einem<br />

direkten Zusammenhang stehen (Leuenberger/Uffer, N 2b zu Art. 263 ZPO), <strong>und</strong><br />

wohl auch dann, wenn der mit der Prozessführung verb<strong>und</strong>ene Aufwand zum<br />

Honoraranspruch in einem Missverhältnis steht. Damit übereinstimmend lässt die<br />

Honorarordnung eine Überschreitung bzw. Unterschreitung des mittleren Honorars<br />

um bis zu 25 Prozent zu, wenn unter anderem der notwendige Zeitaufwand vom<br />

Normalfall abweicht, d. h. besondere Umstände vorliegen (Art. 17 HonO). Wird das<br />

mittlere Honorar unterschritten, ist dies im Entscheid zu begründen (Art. 5 Abs. 2<br />

HonO).<br />

Die Vorinstanz begründet die Abweichung vom Normalfall mit Hinweis auf Synergieeffekte.<br />

Diese werden vom Kantonsgericht allerdings nicht näher ausgeführt.<br />

Im angefochtenen Urteil wird dazu ausschliesslich auf den Entscheid vom 1. Juli<br />

2004 verwiesen. Dort findet sich einzig nach Bestätigung des Rechts der Beklagten,<br />

je ihre eigenen Anwälte beizuziehen, der Satz, dass die Bemühungen des<br />

einen Rechtsvertreters die Arbeit des andern erleichtert hätten. Worin die Erleichterungen<br />

des einen Anwalts durch die Arbeit des andern Anwalts im Einzelnen<br />

bestanden haben, wird nicht dargelegt. Dies im Gegensatz zum Bezirksgericht,<br />

welches in seinem Urteil immerhin erwähnte, dass ein Anwalt im Bereich des<br />

Sachverhaltes <strong>und</strong> der andere im Bereich der Prozessführung jeweils vom anderen<br />

Anwalt profitiert habe (Urteil des Bezirksgerichtes <strong>St</strong>.Gallen, OV.1993.66–3B,<br />

act. 103, S. 38).<br />

Das Kassationsgericht hat ausserhalb von Ermessensentscheiden bei der Überprüfung<br />

kantonalen Rechts freie Überprüfungsbefugnis. Im Rahmen dieser umfassenden<br />

Kognitionsbefugnis ergibt sich Folgendes:<br />

Der allgemeine <strong>und</strong> nicht näher ausgeführte Hinweis auf Synergieeffekte bzw.<br />

auf Erleichterungen der Arbeit des einen Anwaltes durch den andern genügt als<br />

Begründung für eine Honorarkürzung um 20 Prozent nicht. Würden solch pauschale<br />

Hinweise als genügend erachtet, hiesse dies, dass im Regelfall bei Vertretung<br />

von zwei oder mehreren Beklagten durch je einen Anwalt im gleichen Prozess die<br />

Honorarnoten a priori <strong>und</strong> allein wegen der Mehrfachvertretung gekürzt werden<br />

dürften <strong>und</strong> müssten. Der Ausnahmefall, d. h. die Kürzung der Honorarnoten nur<br />

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